Zukunft der Stromlandschaft Österreich
Paulina Navas, 23.05.2024
Die Stromlandschaft Österreichs steht aktuell vor der großen Herausforderung, die Stromerzeugung bis 2030 zu 100% aus erneuerbaren Quellen umzustellen (zumindest bilanziell). Im Europavergleich ist diese Aufgabe in Österreich einfacher zu erreichen, da die aktuelle Stromerzeugung bereits über 80% „grün“ (2023 lag der Wert sogar bei 87%) ist. Das ist auf die positive geografische Beschaffenheit Österreichs zurückzuführen – die Berge, die vielen Flüsse und die vergleichsweise relativ hohen Niederschlagswerte. Betrachten wir die Stromerzeugung aus Wasserkraft, so machte diese im Jahr 2022 rund 60% an der Gesamterzeugung aus.
Langfristig betrachtet ist das Ausbaupotential im Bereich Wasserkraft begrenzt, die noch zu schöpfenden Potenziale liegen daher insbesondere in Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Mit ihrem Ausbau sollen unsere Klimaziele erreicht werden. Von den 27 TWh Grünstromzuwachs, die das EAG (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) vorsieht, macht der Zuwachs allein aus PV und Windkraft mit 21 TWh den größten Anteil aus. Der Windkraftanteil im Jahr 2021 machte rund 7 TWh aus. Das sind etwa 10% von den gesamthaft produzierten 70 TWh. Bis 2030 soll die Erzeugung auf etwa 17 TWh ansteigen und rund 21% des Erzeugungsmix ausmachen. Im PV-Bereich ist der Zuwachs noch deutlicher: Hier soll die jährliche Erzeugung von 2 TWh auf 13 TWh wachsen, was einer Erhöhung des Erzeugermix von etwa 3% auf 16% entspricht.
Im Gegensatz dazu soll der Einsatz der Gaskraftwerke sukzessive reduziert werden, bzw. diese bis 2040 ganz abgeschaltet werden. Ganz ohne Kraftwärmekopplungsanlagen (KWKs), die neben Strom auch Wärme erzeugen, wird es jedoch nicht funktionieren, denn Grünstrom ist sehr volatil. Gerade im Winter ist der Wärmebedarf hoch, doch hier ist der Anteil an erneuerbarer Stromerzeugung aufgrund geringerer Niederschlagsmengen und verminderter Sonneneinstrahlung geringer. Hier ist man daher punktuell auf den flexiblen Einsatz der KWKs angewiesen, um die Strom- und Wärmeversorgung für Österreich zu sichern.
Allerdings können wir auch die Gaskraftwerke langfristig umweltfreundlicher machen, indem wir die Umrüstung von Erdgas auf z.B. Grünen Wasserstoff vorantreiben. Hier laufen bereits erste erfolgreiche Versuche zwischen VERBUND und u.a. Wien Energie.
Grüner Wasserstoff und Energiespeicher
Grüner Wasserstoff ist ein wesentliches Zukunftsthema, hat er doch ein breites Einsatzgebiet. Neben der Dekarbonisierung der Industrie, hier insbesondere der Stahlindustrie, könnte künftig grüner Wasserstoff auch der Volatilität in der Grünstromerzeugung entgegenwirken. Durch überschüssigen Grünstrom (insb. im Sommer, wenn viel Strom aus PV-Kraft erzeugt wird) können beispielsweise Elektrolyseanlagen betrieben werden, die grünen Wasserstoff produzieren. Dieser kann folglich gespeichert und bei Energieknappheit wieder in Strom umgewandelt werden.
Für das Gelingen der Energiewende sind überdies Energiespeicher essenziell. Aufgrund der Veränderung in der Energieversorgung und der Umstellung auf Grünstrom wird sich der Bedarf an Systemflexibilität deutlich steigern. Österreich ist hier wiederum im Vorteil – tragen doch die großen Pumpspeicherkraftwerke z.B. von VERBUND wesentlich zur Energiestabilisierung bei. Immer stärker in den Vordergrund treten nun auch große Batteriespeicheranlagen, welche ebenfalls überschüssigen Strom aus PV- und Windkraftanlagen speichern können. Wenn es um Speicherkapazitäten von Batterien geht, so ist das aktuell ein sehr innovationsgetriebener Bereich und immer mehr spannende Speicherprojekte betreten den Markt. Der Bereich innovativer Energiespeicher steht auch auf der Agenda der VERBUND Innovationsabteilung weit oben.
Batterien sind jedoch nicht nur für große Energieversorger in Form von Batteriespeicher-Großanlagen mit mehreren MW relevant (von denen VERBUND ebenfalls bereits Anlagen installiert hat). Diese gewinnen insbesondere auch im privaten Sektor verstärkt an Bedeutung. Seit einigen Jahren steigt die Anzahl der PV-Anlagen, oftmals in Kombination mit einem Batteriespeicher. Denn damit kann der unter Tags erzeugte Strom z.B. in den Abendstunden eingesetzt werden. Immer mehr private bzw. kleinere PV-Erzeuger speisen den Strom auch direkt ins Netz ein. Diese dezentrale Erzeugungsstruktur wird das Energiesystem künftig vor größere Herausforderungen stellen.
Zur Lösung soll der kürzlich vorgestellte ÖNIP (Österreichische Netzinfrastrukturplan) beitragen. Das vom Klimaministerium vorgestellte strategische Planungstool soll die Infrastrukturnotwendigkeiten des künftigen Energiesystems darstellen. Denn nicht nur die dezentrale Stromerzeugung, sondern insbesondere der eingangs erwähnte massive, aber notwendige Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung stellt das Netz vor Herausforderungen. Um die österreichische Energiewende zu schaffen, sollte es daher das oberste Ziel sein, den Ausbau des Grünstroms bestmöglich mit dem Ausbau der Netzinfrastruktur, den Stromspeicheranlagen und notwendigen Flexibilitätsoptionen wie dem Einsatz von grünem Wasserstoff zu koordinieren.
Paulina Navas ist Beteiligungsmanagerin für VERBUND und verantwortet die Positionierung der ÖBAG als Kompetenzzentrum für Energie. Vor ihrem Start bei der Österreichischen Beteiligungs AG arbeitete sie als Investmentmanagerin bei der Wien Energie und im Financial Consulting.