Finanzbildung einmal anders und was wir von Musik lernen können

Martin Foussek, 23.11.2022
Was verbindet Jay Z und Eminem? Sie sind Rapper, ja. Und beide waren (und sind) Inspiration für Barack Obama. Jay Z’s „My 1st Song“ und Eminem’s „Lose Yourself“, so verriet es Barack Obama Jahre danach, gaben ihm Kraft und Inspiration als er sich das erste Mal um das Amt des mächtigsten Menschen der Welt bewarb. In einem Interview sagte Obama: „Es war Rap, der mein Denken in die richtige Richtung lenkte.“
Von Obama bis zum Pubertierenden, der den ganzen Tag aufs Handy blickt
Eminem konnte Obama erreichen, wo ihn ganz wenige Menschen erreichen konnten. Eminem verschaffte sich Zugang durch seine Musik. Er verschaffte sich Zugang über die sozialen Medien und die digitalen Musik-Streaming-Dienste dieser Welt. Und das nicht nur zu Barack Obama – allein Eminem‘s Song „Lose Yourself“ wurde auf Youtube bis dato mehr als 1.25 Milliarden Mal gehört.
Musik, so sagte es Nikolaus Harnoncourt bei einem Neujahrskonzert, ist die Sprache, die alle Menschen verstehen. Wir sollten uns dies zunutze machen. Gerade, wenn es um ein schwierig zu vermittelndes Thema wie die Finanzbildung geht.
Musik, so sagte es Nikolaus Harnoncourt bei einem Neujahrskonzert, ist die Sprache, die alle Menschen verstehen. Und wenn dann die Texte auch noch (zumindest teilweise) edukatorisch sind, was sie, ob wir wollen oder nicht, jedenfalls bei denen sind, die sie hören, dann sollten wir uns dies zunutze machen. Gerade, wenn es um ein schwierig zu vermittelndes Thema wie die Finanzbildung geht. Gerade dann, wenn wir die jungen Menschen dort erreichen wollen, wo sie sind: online.
Der Zinseszins – von Kendrick Lamar & Ray Dalio
Man stelle sich einen Rapper vor, wie man ihn sich so vorstellt: Mit Hosen, die erst im nördlichen Bereich der Oberschenkel ihren Halt finden, breiter Kappe, scheinbar mit wirren Handbewegungen gestikulierend, und einem Compton-Slang, der seinesgleichen sucht. Der eine oder andere wird an dieser Stelle merken, dass ich auch nicht mehr der jungen Generation angehöre. Und man stelle sich Ray Dalio vor: Milliardenschwerer, weißhaariger Hedgefonds-Manager mit einem Abschluss von der Harvard Business School, angezogen als würde er aus einer Image-Kampagne für weiße Pensionisten in Martha`s Vineyard entspringen. Und beide stehen auf einem Balkon und plaudern über unternehmerische Möglichkeiten, die sich durch Zinseszinsen ergeben; oder die Herausforderungen, denen sich Anleger mit hoher Volatilität aussetzen. Das ist Finanzbildung, die ankommt.
Die Bitcoin-Academy: Jack Dorsey & Jay-Z
Eines vorab: Ich propagiere hier weder Bitcoin noch andere „coins“ aus dem Krypto-Universum. Aber es gibt Millionen Menschen da draußen, die sich dafür interessieren, wie der Nachfolger des Internets, wie wir es aktuell kennen, aussehen wird. Es gibt Millionen Menschen, die sich für „smart contracts“, eine hoch-effiziente Art und Weise auf digitalem Wege Verträge zu schließen, interessieren. Und – sie ahnen es bereits – es gibt Millionen, vermutlich sogar Milliarden Menschen, die einfach schnell reich werden wollen. Ja, so ist das. Und dort setzen Jack Dorsey, der Gründer von Twitter, und Jay-Z, einer der erfolgreichsten Rapper und Musikproduzenten aller Zeiten, an. Wenn auch initial nur auf regionaler Ebene – im Viertel, in dem Jay-Z groß wurde, und zu einem ausgewählten Thema, das aufgrund des Krypto-Winters aktuell nicht so „gehyped“ ist.
Aber sie erreichen die Menschen dort, wo sie sind. Und das mit „Courses“, die man sonst nur auf Ivy-League-Universitäten erwarten würde: „Wealth Building and Assets”, “Bitcoin & Taxes” etc.
Vom Rapper zum Unternehmer
Tatsächlich gehen viele, die es in der Musikbranche geschafft haben, im zweiten Schritt auch in die Unternehmensgründung. Shirin David gilt als Ikone und Vorbild für viele Frauen. Früher gemobbt und klein gemacht, heute millionenfach auf Youtube gesehene Rapperin und Geschäftsfrau mit vielen Standbeinen. Auch der Wiener Rapper RAF Camora betreibt einen Tattoo-Shop, ist beim Wiener Startup NEOH eingestiegen, besitzt Immobilien und zeigt das öffentlich. Egal wo man in der Szene hinschaut, schlau sein ist „en vogue“, in Interviews wird über „Business“ gesprochen und auf die Bedeutung von Bildung hingewiesen. Der Satz “Mach das, was dir Spass macht und zieh es durch” ist dabei fast zum Stehsatz geworden. Aber er fordert Motivation und Eigenverantwortung – und auf die kommt es an, wenn wir wollen, dass sich „unsere“ Jugend auch autodidaktisch dem Thema Finanzbildung nähert.
Das liest doch keiner …
… zumindest keiner, der es lesen sollte. So war meine Argumentation, als ich mich ursprünglich gegen einen weiteren Beitrag zur Finanzbildung stellte. Denn eigentlich lesen sollten ihn auch die 14-Jährigen, die gerade beginnen, sich für Geld zu interessieren. Oder diejenigen, die gerade eine Lehre machen und ihr erstes eigenes Geld verdienen; oder diejenigen, die ein Wirtschaftsstudium absolvieren wollen und glauben, eh alles besser zu wissen. Wir müssen mehr tun, weniger reden, so meine Forderung. Und wir müssen die Menschen erreichen, bei denen es sich auszahlt, sie zu erreichen.
Aber wenn dieser Beitrag eine zusätzliche Idee neben den vielen etablierten, hinzufügt, die – so bin ich überzeugt – der Finanzbildung einen hoch effektiven Weg zu den Menschen ebnen kann, dann schreibe ich ihn. Und ich schreibe ihn für die Rapper im Land, die hoch erfolgreiche Unternehmer, Investoren und Musiker sind. Dafür, dass sie ihre Sprache nutzen, eine Sprache, die die Menschen verstehen: Auch um die Finanzbildung im Land voranzutreiben. Denn, Bildung ist die Voraussetzung für einen modernen, für die Zukunft gerüsteten Standort. Die ÖBAG fördert daher Initiativen zur Finanzbildung mit dem Ziel, positives Bewusstsein zur Bedeutung von Eigentum zu stärken. Nur eine auch finanziell gebildete Gesellschaft ermöglicht fruchtbare Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Innovation am Standort Österreich.
N.B.: Zu diesem Beitrag wurde ich unter anderem durch die Financial Times Literacy and Inclusion Campaign sowie den Beitrag von Rhymer Rigby „Psychology of Wealth – Why the Masters of Rap Could Help Bridge the Financial Literacy Gap”, erschienen in FTwealth, Oktober 2022, inspiriert. Vielen Dank dafür!
Martin Foussek ist Mitglied des Management Boards der Simpel S.A., einer in Luxemburg ansässigen Kapitalanlagegesellschaft, die u.a. für die Verwaltung des Standortfonds Österreich verantwortlich ist.