Börsenkurse im Vergleich: Sind Aktien überbewertet?
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Johanna Feurstein, 23.08.2021
Die Rally am Aktienmarkt hat wieder Fahrt aufgenommen. Deutschlands wichtigster Börsenindex DAX knackte am Freitag den 13. August 2021 erstmals in seiner 33-jährigen Geschichte die Marke von 16.000 Punkten. In der Spitze stieg er auf historische 16.030 Punkte. Auch der europäische Börsenindex Stoxx 600 und die US-Indizes S&P 500 und Dow Jones brechen 2021 neue Rekorde.
Die internationalen Aktienmärkte entwickelten sich in den vergangenen Monaten positiv: viele Unternehmen konnten nach der Corona-Krise deutlich wachsen und so stiegen auch die Aktienkurse seit November 2020 stark an und verzeichneten teilweise historische Höchststände, wie zum Beispiel der S&P 500 im Mai 2021. Doch seit Mitte Juli häufen sich auch schlechte Nachrichten für die Märkte: Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich aus, Lieferengpässe belasten die Unternehmen, und die Inflation in den USA liegt mit 5,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren. Die US-Notenbank (Fed) hat bereits signalisiert, dass ein Zurückfahren ihres monatlichen Anleihekaufprogramms von 120 Milliarden Dollar langsam aber sicher näher rückt.
Angesichts dieser Entwicklungen weisen Analysten und Marktbeobachter zunehmend auf die hohen Bewertungen von Unternehmensaktien hin. So stieg die Price / Earnings (P/E) Ratio der S&P 500 Unternehmen Anfang 2021 auf über 30 und damit auf einen höheren Wert als um das Jahr 2000, das im Rahmen der Internetblase von hohen und nicht nachhaltigen Aktienbewertungen gekennzeichnet war. Dank steigender Profite sank die Price Earnings Ratio zuletzt auf rund 26, liegt damit allerdings noch immer deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
Doch wie sieht dieses Bild für Europa und Österreich aus?
Um den ATX sowie EUROSTOXX 600 mit S&P 500 zu vergleichen werden in der folgenden Analyse nur die Price / Earnings Ratios von Unternehmen mit positiven Ergebnissen berücksichtigt. Damit werden extreme Werte bei Betrachtung des ATX verhindert, auch vor dem Hintergrund, dass dieser nur 20 Unternehmen umfasst. Im Falle des S&P 500 und des EUROSTOXX 600 führt diese Einschränkung aufgrund der hohen Anzahl an umfassten Unternehmen nur zu einer geringfügigen Änderung des P/E Ratios.
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Die Abbildung verdeutlicht, dass die Bewertung der S&P 500 Unternehmen im Schnitt über jenen des EUROSTOXX 600 liegt und fast doppelt so hoch ist wie jene der ATX-Unternehmen. Das Bild wird noch deutlicher, wenn man neben dem S&P 500 Index auch den NASDAQ betrachtet, dessen aktuelle Bewertungen fast 40 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt liegen, bei Ausschluss von Unternehmen mit negativen Erträgen.
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Damit wird klar ersichtlich: die internationale Debatte über hohe Aktienbewertungen spiegelt sich auch in den aktuellen Price / Earnings Ratios wider, vor allem jedoch in Bezug auf amerikanische Unternehmen. In Österreich bzw. Deutschland kann dieser Trend nicht bestätigt werden – hier sind die aktuellen Bewertungen nahe den langjährigen Mittelwerten.
Ein wesentlicher Grund hierfür ist in dem Anteil der vertretenen Industrien in den einzelnen Indizes zu finden. So weist der ATX einen relativ hohen Anteil an Unternehmen in der Finanzwirtschaft und der Öl- und Gas-Industrie aus – Sektoren mit relativ geringer Bewertung, beispielsweise im Vergleich zu Technologieunternehmen. Gleichzeitig können die geringeren langjährigen Mittelwerte dieser Kennzahl auch auf eine günstigere Bewertung von österreichischen und deutschen Aktien im Vergleich zu amerikanischen Unternehmensanteilen hinweisen.
Die hier gezeigten Entwicklungen weisen also auf keine Überbewertung im Bereich der europäischen bzw. österreichischen Aktien hin. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund positiver Konjunkturentwicklungen und einer vergleichsweise geringen Bewertung zeigt sich die Attraktivität österreichischer Aktien. Was das konkret für die börsennotierten Portfoliounternehmen der ÖBAG bedeutet und wie sich diese entwickeln, das beleuchten wir in einer unserer kommenden Perspektiven.
Wichtige Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.
Diese Publikation stellt weder eine Marketingmitteilung noch eine Finanzanalyse dar. Es handelt sich lediglich um Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten. Trotz sorgfältiger Recherche und der Verwendung verlässlicher Quellen kann keine Verantwortung für Vollständigkeit, Richtigkeit, Aktualität und Genauigkeit übernommen werden. Die Informationen sind nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder als Aufforderung, ein solches Angebot zu stellen, zu verstehen. Diese Publikation dient lediglich der Information und ersetzt keinesfalls eine individuelle, auf die persönlichen Verhältnisse der Anlegerin bzw. des Anlegers (z. B. Risikobereitschaft, Kenntnisse und Erfahrungen, Anlageziele und finanziellen Verhältnisse) abgestimmte Beratung. Wertentwicklungen in der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu.
Johanna Feurstein leitet seit 2019 das Beteiligungscontrolling der ÖBAG und publiziert in regelmäßigen Abständen Analysen und Kapitalmarkttrends. Lesen Sie hier den Artikel „Wie werden wir nach der Corona-Krise wirtschaften?“ Vor der ÖBAG konnte Johanna Feurstein in verschiedenen Positionen im In- und Ausland umfassende Erfahrungen u.a. in der Unternehmensbewertung und im Energiesektor sammeln. Zusätzlich beschäftigt sich Johanna Feurstein mit den Entwicklungen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmensbereich und schloss neben einem Diplomstudium in IBWL auch ein Masterstudium der Umwelt- und Bioressourcenmanagement ab.