Relevanz kritischer Infrastrukturen im öffentlichen Diskurs

Axel Maireder, 18.04.2023
Coronapandemie und Energiekrise haben in der Gesellschaft ein neues Bewusstsein für kritische Infrastrukturen und ihre Verwundbarkeit geschaffen. Doch nicht allen wichtigen Infrastrukturen kommt im öffentlichen Diskurs dieselbe Bedeutung zu. Aktuelle Entwicklungen lenken den Fokus auf bestimmte Gefahren, andere werden weitgehend ausgeblendet. Ein besseres Verständnis dieser Mechanismen ist für die ÖBAG von Bedeutung, da sie wesentliche Beteiligungen an Infrastruktur-Unternehmen hält.
Das IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung ist diesen Zusammenhängen nachgegangen und hat untersucht, welche kritischen Infrastrukturen im Lichte der Öffentlichkeit stehen, welche nicht und warum. Dazu wurden rund 29.000 Aussagen zum Themenfeld in journalistischen Medien, auf Social Media und sonstigen Webseiten von November 2020 bis Oktober 2022 identifiziert, mittels KI-gestützter Textanalyse analysiert und die Ergebnisse entsprechend interpretiert. Zudem wurde in den Blick genommen, welche Akteure aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft die Debatten jeweils prägen. Durch eine Netzwerkanalyse auf Basis gemeinsamer Nennungen konnte darüber hinaus gezeigt werden, in welchen Zusammenhängen die Akteure wahrgenommen werden.
Energie mit 54 Prozent der Aussagen die größte Aufmerksamkeit
Energie bekommt mit einem Anteil von 54 Prozent der Aussagen zu den verschiedenen Typen kritischer Infrastrukturen die bei weitem größte Aufmerksamkeit. Dies ist vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges wenig verwunderlich: Die Gefahren für die Versorgungssicherheit in Österreich durch die Abhängigkeit von russischem Gas wurden breit diskutiert. Entsprechend stark ist der Anstieg der Aussagen zu Energieinfrastrukturen ab Ende Februar 2022, der im Sommer mit der Debatte rund um die Strompreisbremse und die Finanzierungsschwierigkeiten der Wien Energie einen Peak erreicht hat. Vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war Energieinfrastruktur primär im Kontext potenzieller Blackouts und ihrer Vermeidung Thema.

Versorgungssicherheit im Zentrum des Diskurses
Energieunternehmen wie OMV, EVN und Wien Energie sowie die Interessensvertreter aus Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung spielen eine zentrale Rolle im Diskurs rund um Energieinfrastrukturen. Dabei steht die Versorgung mit Gas und die Stromerzeugung im Zentrum, die auch für die politischen Akteure besonders relevant war. Weitgehend unabhängig davon wurde die Debatte um die Netzinfrastruktur mit der Austrian Power Grid als wichtigstem Akteur geführt.
Gesundheit, Lebensmittel und Wasser ebenso relevant im Diskurs
Rund 20 Prozent der Aussagen zu kritischen Infrastrukturen drehen sich um das Gesundheitssystem, 2021 vor allem im Corona-Kontext. So wurde eine ausgiebige Debatte zur hohen Relevanz der Gesundheitsinfrastruktur in der Pandemie geführt, wobei vor allem auf die Gefahr für die Gesundheitsversorgung durch Personalnot verwiesen wird. So macht das Thema Ärztemangel konkret rund ein Drittel aller Aussagen zu kritischer Gesundheitsinfrastruktur aus. Neben den Parteien sind das Gesundheitsministerium, die ÖGK und die Ärztekammer zentrale Akteure, wobei die letzten beiden auffallend häufig gemeinsam genannt werden. Dies liegt an den zahlreichen Konflikten zwischen diesen Akteuren, die oftmals unabhängig vom sonstigen Diskurs öffentlich ausgetragen werden.
In der Netzwerkanalyse ist zudem die gemeinsame Nennung von Hilfsorganisationen auffällig, die betont abseits der zentralen politischen Debatten auftreten. Diese Organisationen – vor allem Caritas und Diakonie – sind auch in der öffentlichen Diskussion um Lebensmittelversorgung als kritische Infrastruktur relevant. Das Thema macht rund neun Prozent der Gesamtaussagen aus und wird neben den genannten Organisationen vom Lebensmittelhandel und Akteuren aus der Landwirtschaft geprägt. Auch in diesem Themenfeld hat der Ukrainekrieg mit der Angst vor Versorgungsengpässen für eine starke Dynamik ab dem Frühjahr 2022 gesorgt, im Sommer dann vor allem durch die wachsende Inflation und den Druck auf die Lebensmittelpreise. Zudem wurde die Lebensmittelversorgung vor dem Hintergrund von Dürreperioden diskutiert. Dieses Thema hat auch starken Einfluss auf die Diskussion zur kritischen Infrastruktur Wasser, zu der rund zehn Prozent der Aussagen gefallen sind.
Bildung und (Tele)Kommunikation spielen mit einem zwei und vier Prozent-Anteil an den Gesamtaussagen eine untergeordnete Rolle. Zu Kommunikation sind unverbundene Diskussionsstränge zur Infrastruktur (Funkmasten) der A1 Telekom Austria, zu Cyber-Security und Breitbandausbau zu finden. Verkehr, Finanzen, Verwaltung oder Medien, die nach gängigen Definitionen ebenfalls als kritische Infrastrukturen gesehen werden, werden kaum als solche öffentlich diskutiert.
Editorischer Hinweis: Die unabhängige Diskursanalyse wurde im Auftrag der ÖBAG im Zeitraum von November 2020 bis November 2022 durchgeführt.
Axel Maireder ist Geschäftsführer des IMWF Austria – Institut für Management und Wirtschaftsforschung. Das IMWF ist auf die KI-gestützte Analyse öffentlicher Kommunikation spezialisiert und liefert Fakten und Erkenntnisse für die Planung und Erfolgsmessung von Kommunikationsstrategien.