Die EU-Taxonomie aus der Sicht von Banken

Roland Mechtler, 03.10.2022
Der sogenannte ‚Green Deal‘ der Europäischen Union (EU) ist das 2019 verlautbarte Umsetzungsprojekt zu den Pariser Klimazielen 2015. Das ambitionierte Ziel: bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Erwähnenswert ist, dass die neuen Regularien eine rechtliche Verpflichtung der Klimaneutralität in Europa vorsehen. Banken werden verstärkt in die Pflicht genommen, vermehrt grüne Aktivitäten ihrer Kunden zu finanzieren und gleichzeitig die Risiken des Klimawandels entsprechend zu managen. Die betroffenen Unternehmen, fast die gesamte europäische Wirtschaft, werden künftig veröffentlichen müssen, wie grün ihre Aktivitäten sind. Im Juli 2021 wurde ein weiteres, umfassendes Maßnahmenpaket unter dem Titel ‚Fit for 55‘ vorgestellt. Die Vorgabe ist, bis 2030 die Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren.
Um den ‚European Green Deal‘ umzusetzen und damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, beläuft sich der Investitionsbedarf zwischen 2021 und 2030 für Österreich auf ca. EUR 166 bis 173 Mrd. Die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen sowie die Finanzierung des signifikanten Investitionsbedarfs wird Banken und deren Kunden in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen.

Im Folgenden werden die für Banken und deren Kunden wesentlichsten Bestandteile der Umsetzung des ‚Green Deals‘ dargestellt.
EU-Taxonomie
Die Taxonomie ist die weltweit erste Liste, die definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als grün eingestuft werden können. Sie ist damit das wichtigste Instrument zur Unterstützung des Wandels hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Die Taxonomie – eine direkt anwendbare EU-Verordnung – richtet sich an Unternehmen und verpflichtet diese taxonomiekonforme Umsatzerlöse, Investitionen und Aufwände offenzulegen.
Welche Aktivität als taxonomiekonform eingestuft werden kann, muss anhand von technischen Kriterien bewertet werden. Die Taxonomie ist keine Verpflichtung, nur in grünen Bereichen aktiv zu sein, sondern es ist eine positive Definition grüner Aktivitäten. Die Taxonomie umfasst folgende sechs Ziele fest:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Schutz von Wasser und Meeresressourcen
- Übergang in eine Kreislaufwirtschaft
- Eingrenzung der Umweltverschmutzung und Beitrag zu Umweltschutz
- Schutz von Artenvielfalt und Ökosystemen
In einem ersten Schritt muss geprüft werden, welche wirtschaftliche Aktivität konform mit der EU-Taxonomie ist. Dies ist der Fall, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung eines der sechs Ziele leisten. Gleichzeitig dürfen jedoch die anderen Ziele nicht erheblich beeinträchtigt werden (‚Do-No-Significant-Harm-Principle‘), und gewisse Mindestschutzkriterien (z. B. Einhaltung der Menschenrechte) müssen beachtet werden.

Für Ziel 1 „Klimaschutz“ und Ziel 2 „Anpassung an den Klimawandel“, die sogenannten „Klimaziele“, sind diese technischen Kriterien (u. a. Kennzahlen und Grenzwerte) ab 1. Jänner 2022 anwendbar. Die Klimaziele fokussieren auf die Reduktion der Treibhausgasemission, die damit unmittelbar das Pariser Klimaziel von 2015 umsetzen sollen. Hier war eine Zielfestlegung insofern einfacher, da die vereinbarte Messgröße der Treibhausgasemissionen (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, Schwefelhexafluorid, Fluorkohlenwasserstoffe und Perfluorkohlenwasserstoffe) und die Segmentierung (Kategorie 1, 2 & 3) nachvollziehbare Größen darstellen. Für die restlichen vier Ziele sind im Juli 2021 vorläufige Kriterien publiziert worden, diese sollen nach der Begutachtung durch die EU-Kommission ab 1. Jänner 2023 anwendbar sein.
Veröffentlichungspflichten
Die Taxonomie-Verordnung definiert nicht nur, welche Aktivitäten grün sind, sie sieht gleichzeitig auch weitreichende Veröffentlichungspflichten für Finanzmarktakteure und große Unternehmen vor. (Darüber hinaus bestehen Berichtspflichten aus der Offenlegungs- Verordnung sowie der Richtlinie für nichtfinanzielle Informationen (NFRD, innerstaatlich: NaDiVEG).
Ein wesentliches Ziel der Taxonomie ist somit auch die Schaffung der (vollen) Transparenz und um Marktteilnehmer Anhaltspunkte für Investitionsentscheidungen in nachhaltige Aktivitäten zu geben. Nachdem die Berichterstattung über die Taxonomiekonformität im Lagebericht der betroffenen Unternehmen erfolgen soll, ist eine natürliche Nähe zur Bilanz gegeben. Dies wird auch zu einer stärkeren Integration der nicht finanziellen Berichterstattung in die finanzielle Berichterstattung führen, verstärkt wird dies durch die Notwendigkeit einer Auditierung durch einen Wirtschaftsprüfer.
Weitere Veröffentlichungspflichten sind für Unternehmen in der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (‚Corporate Sustainability Reporting Directive‘, CSRD) von Unternehmen vorgesehen: sie müssen über ihr Geschäftsmodell, ihre Strategie, ihre gesetzten Nachhaltigkeitsziele sowie den Fortschritt bei deren Erreichung und über weitere nachhaltigkeitsbezogene Aspekte berichten. Die Informationen, welche inhaltlich beispielsweise die Bereiche Umwelt, soziale Faktoren und gute Unternehmensführung (Governance) betreffen, sind verpflichtend, als Teil des Lageberichts zur Verfügung zu stellen. Dabei sind für die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch festzulegende europäische Standards zu verwenden.
Zusätzlich wird mit der CSRD der Adressatenkreis auf rund 50.000 Unternehmen in der EU deutlich ausgeweitet und geht über große Unternehmen hinaus. Die Darstellung hinsichtlich Taxonomiekonformität trifft wie oben beschrieben in erster Linie Unternehmen der Realökonomie (im Sinne von nicht-Banken).
Welche Rolle spielen nun die Banken im Rahmen der EU-Taxonomie?
Der Gesetzgeber und davon abgeleitet die Aufsichtsbehörden sehen für Banken eine zentrale Rolle im grünen Wandel vor. Sie sollen Investitionsströme ihrer Kunden in nachhaltige Aktivitäten lenken bzw. diese dabei unterstützen: Basierend auf der EU-Taxonomie müssen Banken gemäß einem aktuellen Konsultationspapier der European Banking Authority (EBA) Kennzahlen in Bezug auf die Übergangsrisiken, die physischen Risiken sowie Maßnahmen, die gegen den Klimawandel gesetzt werden, offenlegen.
Darunter fällt die ‚Green Asset Ratio‘, eine Kennzahl, die misst, wie hoch der Anteil der taxonomiekonformen Finanzierungen im gesamten Kreditbuch einer Bank ist. Die EBA geht in ersten groben Schätzungen von rund 8 Prozent Anteil aus. Hier zeigt sich schon die Herausforderung für die Finanzwirtschaft: Banken sind zum einen auf die von den Unternehmen offenzulegenden Angaben angewiesen und zum anderen unterliegen sie selbst auch Offenlegungsverpflichtungen hinsichtlich der Taxonomiekonformität.
Aufgrund der erst zu etablierenden einheitlichen Definition und darauf aufbauenden Datenverfügbarkeit, werden Banken in den nächsten zwei bis drei Jahren nur schwer die Erwartungen der Aufsichtsbehörden umfassend erfüllen können. Dies kann man auch anhand der ersten Veröffentlichungen der (quasi) ‚Green Asset Ratio‘ ablesen, die mit dem Geschäftsjahr 2021 erstmals durchzuführen war: Die Werte sind aufgrund unterschiedlicher Interpretationen der zugrundeliegenden Vorschriften sehr schwierig zu vergleichen. Hier wird es noch mehrere Veröffentlichungszyklen benötigen, um einen einheitlichen Marktstandard zu etablieren und die Verwendbarkeit dieser Kennzahlen zu erhöhen.
Ausblick
Der Klimawandel und seine Folgen werden uns nachhaltig beschäftigen und die Politik hat den Beschluss gefasst, Maßnahmen gegen den Klimawandel und Finanzierungen für eine nachhaltige Wirtschaft auf Gesetzesbasis umzusetzen. Das bedeutet für Banken einen Umstellungsbedarf, um Klima- und Umweltrisiken entsprechend zu identifizieren und zu managen. Unklar sind noch die konkreten regulatorischen Folgen abhängig vom Grad der Taxonomiekonformität, das heißt, ob es Sanktionen vom Markt oder den Aufsichtsbehörden für Banken gibt, die nicht ausreichend grüne Aktivitäten finanzieren.
Das bedeutet für Banken einen Umstellungsbedarf, um Klima- und Umweltrisiken entsprechend zu identifizieren und zu managen.
Hier ist davon auszugehen, dass in einem ersten Schritt in den kommenden drei Jahren europaweit eine einheitliche Datenbasis geschaffen wird. Im nächsten Schritt wird über Vergleiche zwischen den Banken entsprechender Druck seitens der Aktionäre und anderer Stakeholder aufgebaut und ganz im Sinne der ‚Basler Säule 3 Offenlegungspflichten‘ eine gewisse Marktdisziplin für grüne Aktivitäten etabliert.
Die Transparenz betrifft aber nicht nur Banken, sondern […] letztendlich kommt eine bessere Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, den Bürgern und Sparern zugute. Sparerinnen und Sparer, die nachhaltig investieren wollen, werden fortan die Möglichkeit haben, dies zu tun, während von einem stabilen, nachhaltigen und inklusiven Wirtschaftssystem alle Bürgerinnen und Bürger profitieren dürften […].
Durch die erhöhte Transparenz werden schlussendlich alle Unternehmen, die in der EU tätig sind und am Finanzmarkt teilnehmen, motiviert, (vermehrt) grüne Aktivitäten im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit zu setzen.
Anmerkungen:
Kategorie/Scope 1 Emissionen sind direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen. Kategorie/Scope 2 Emissionen sind indirekte Emissionen aus erzeugter oder zugekaufter Energie. Kategorie/Scope 3 Emissionen sind alle indirekten Emissionen, die in der Wertschöpfungskette des Unternehmens entstehen, einschließlich der vor- und nachgelagerten Emissionen.
Roland Mechtler ist der Head of Group Regulatory Affairs & Data Governance in der Raiffeisen Bank International. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Umsetzung regulatorischer Änderungen für die Bank und ihre Kunden. ESG ist eines der relevantesten neuen Themen, die sowohl den Bankensektor als auch ihre Kunden stark beeinflussen.