EU Taxonomie: Dieser Weg wird kein leichter sein
Eva Grosse, 31.05.2021
Wenn es um die Finanzierung dieser Transformation geht, so sehen Europapolitiker die Finanzwirtschaft deutlich in der Pflicht. Laut Angaben der Europäischen Kommission werden jährlich Investitionen in der Höhe von 180 Mrd. Euro benötigt, alleine um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Daher dürfte es kaum für Verwunderung sorgen, dass die Offenlegungsanforderungen bezüglich klimabezogener Information deutlich zunehmen. So sollte der Lagebericht von Versicherungen und Banken Aufschluss geben, wie und in welchem Umfang ihr Handeln mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten einhergeht. Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden sollten im Zuge der Anlage- und Versicherungsberatung abgefragt werden. Finanzmarktteilnehmer, die ihre Produkte als ökologisch nachhaltig bezeichnen, werden zukünftig über den Taxonomie-konformen Anteil berichten müssen.
Stichwort Taxonomie, hierbei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten. Man kann es durchaus als das Herzstück der Transformation bezeichnen, wird es doch zukünftig ein maßgebliches Tool für Investoren sein, wenn sie in Projekte oder Wirtschaftstätigkeiten mit positiven Klima- und Umweltauswirkungen investieren möchten.
EU Taxonomieverordnung
Die Taxonomie ist Teil des 2018 veröffentlichten Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Union. Ziel des Plans ist es, Geldströme in nachhaltige Investitionen zu lenken um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die Taxonomie Verordnung seit 12. Juli 2020 in Kraft – ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz und einheitlicher Begrifflichkeiten beim Thema Nachhaltigkeit. Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann nur als ökologisch nachhaltig betrachtet werden, wenn sie zu mindestens zu einem der in der Taxonomie-Verordnung festgeschriebenen Umweltziele maßgeblich beiträgt.
Neben einem substanziellen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele darf sie außerdem keinem der anderen Umweltziele erheblichen Schaden zufügen. Darüber hinaus muss sie im Einklang mit den Mindestanforderungen in den Bereichen Arbeitsstandards und Menschenrechte sein, sowie den von der EU-Kommission vorgegebenen quantitativen und qualitativen Kriterien genügen.
Mit etwas Verspätung wurden am 21. April 2021 die finalen Kriterien zu den beiden Umweltzielen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ veröffentlicht. Wobei die heiß diskutierten Themen Atomkraft und Erdgas noch immer nicht final gelöst sind. Auch die Kriterien im Bereich Bioenergie und Forstwirtschaft waren im Vorfeld der Finalisierung des delegierten Rechtsaktes heiß umstritten und fanden schließlich nicht in der Form Einzug, wie es sich so manches Mitglied der Sustainable Finance Plattform der Europäischen Kommission gewünscht hätte. Zur Anwendung kommen die Kriterien der delegierten Rechtsakte der beiden Umweltziele ab 1. Januar 2022. Für die übrigen vier Umweltziele werden die Kriterien im Laufe des Jahres 2022 ausgearbeitet und bis Jahresende mittels delegierten Rechtsakts veröffentlicht. Zur Anwendung kommen diese ab 1. Januar 2023.
Anforderungen, Herausforderung und Chancen für Unternehmen
Auch Unternehmen bleiben von der Taxonomieverordnung nicht unberührt. Unternehmen, die zu einer nicht-finanziellen Berichterstattung (NFRD; Nationale Umsetzung in Österreich: NaDiVeG) verpflichtet sind, müssen im Zuge ihres Reportings zukünftig den prozentualen Umsatzanteil angeben, den sie mit an der Taxonomie ausgerichteten Tätigkeiten erwirtschaften. Dies gilt ebenso für ihre Investitionen (CAPEX und OPEX). Laut einem aktuellen Entwurf des delegierten Rechtsaktes zu den Reportinganforderungen könnte es allerdings für das erste Berichtsjahr 2021 eine Erleichterung geben. Auch Unternehmen aus dem ÖBAG-Portfolio sind hiervon betroffen, wenn man bedenkt, dass unter anderem etwa Tätigkeiten wie Post-, Kurier und Expressdienste, der Bau von Immobilien oder etwa die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft sowie Solar und Windenergie von der Taxonomie erfasst sind. Ihre Nachhaltigkeitsleistung wird zukünftig maßgeblich durch die Taxonomie gemessen werden. Nachhaltigkeitskommunikation und berichtete Kennzahlen sollten aufeinander abgestimmt sein. Wer viel über ökologische Investitionen spricht, in der Berichterstattung hingegen einen geringen Taxonomie-konformen CAPEX-Anteil ausweist, dürfte Stakeholdern gegenüber vermutlich einen tiefergehenden Erklärungsbedarf haben.
Die mit der Berichtspflicht einhergehenden internen Anpassungen und Vorbereitungen sollten nicht unterschätzt werden. Schließlich müssen dafür unternehmensintern Ressourcen und Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Auch IT-seitig könnten Systemanpassungen notwendig sein. Wer sich noch nicht mit der Frage beschäftigt hat, wie die eigenen Geschäftstätigkeiten die beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ unterstützen, sollte dies schleunigst tun. Ebenso sollte man für zukünftige Investorengespräche vorbereitet sein, in einigen Branchen dürfte hier die Taxonomie-Konformität eine maßgebliche Rolle spielen.
Auch Unternehmen, die derzeit aufgrund ihrer Größe nicht unter die Berichtspflicht fallen, sollten sich nicht tatenlos zurücklehnen. Sie könnten insofern betroffen sein, als sie vonseiten ihrer Geschäftspartner nach solchen Informationen gefragt werden können. Sind diese wiederum von der Berichtspflicht betroffen, so können sie ihr nur nachkommen, wenn ihnen etwa Lieferanten oder Kunden „freiwillig“ Auskunft über die Nachhaltigkeit deren Tätigkeiten geben. Letztendlich sind hier nicht nur Unternehmen von öffentlichem Interesse gefragt, sondern gewissermaßen ebenso Unternehmen der Liefer- und Wertschöpfungskette. Dies hängt allerdings noch bis zu einem gewissen Maß von den delegierten Rechtsakten bezüglich der konkreten Berichterstattungspflichten ab. Auch für kreditfinanzierte Unternehmen dürften die Folgen der regulatorischen Entwicklungen eher früher als später merkbar werden. Auf Banken kommen nicht nur vermehrte Berichtspflichten in punkto Nachhaltigkeit zu, auch europäische wie nationale Aufsichtsbehörden erwarten zukünftig die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement. Um all diesen Forderungen nachkommen zu können, werden Banken daher bei der Kreditvergabe signifikant mehr Wert auf die Prüfung von Nachhaltigkeitsmerkmalen der finanzierten Tätigkeit legen, als dies bisher der Fall war.
Unternehmen sollten daher die Taxonomie als Chance begreifen. Sie zeigt ihnen Möglichkeiten auf, wie das operative Geschäft ökologisch nachhaltiger gestaltet und auf die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken ausgerichtet werden kann. Die Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit mit Investoren und anderen Stakeholdern wird an Qualität gewinnen. Auch ihre Finanzierungsfähigkeit kann dadurch verbessert werden.
Eva-Maria Grosse ist International Service Lead für Sustainable Finance der denkstatt Gruppe. Sie unterstützt Banken zum Thema Nachhaltigkeit und arbeitet mit Unternehmen an der Umsetzung der Taxonomieanforderungen.