Müll ist Rohstoff am falschen Platz
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Jürgen Prumetz, 28.02.2021
Müll ist Rohstoff am falschen Platz – und mit mehr als 2,3 Milliarden Tonnen wurde laut Eurostat 2018 in den Ländern der Europäischen Union viel „Rohstoff“ erzeugt. Obwohl dieser Gedanke alt ist, fand strukturiertes Recycling erst in den 60er und 70er Jahren Eingang in die Abfallbewirtschaftung.
Mittlerweile werden rund 39% des Abfalles wiederverwertet. Der überwiegende Anteil landet auf Deponien oder wird durch Verbrennung in Energie umgewandelt. Bei Plastik ist der Anteil der wiederverwerteten Produkte deutlich geringer.
Wir haben nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird unser Verbrauch ein Niveau erreichen, als hätten wir drei davon.
Unser Wirtschaftssystem ist überwiegend linear. Virginijus Sinkevičius, der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige Kommissar verweist zu Recht auf den Umstand wonach unser Verbrauch bis 2050 ein Niveau erreichen wird, als hätten wir drei Planeten Erde zur Verfügung. Konsequent daher die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft.
Abfallvermeidung, Wiederverwertung und, wenn technisch möglich, die Rückführung bestimmter Abfälle in seine ursprünglichen Bestandteile sind die wesentlichen Bausteine einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft. Denn für sich genommen reichen weder Abfallvermeidung, noch Wiederverwertung und schon gar nicht die Rückführung ihrer Bestandteile aus, um ein nachhaltiges, ressourcenschonendes Wirtschaftssystem zu implementieren. Auch der bloße Ersatz von Produkten durch andere, vermeintlich nachhaltigere Stoffe, ist nicht der fehlende Puzzlestein für die Transformation unseres linearen Wirtschaftssystems in die Kreislaufwirtschaft. So können etwa Glas oder Aluflaschen eine attraktive Alternative zur klassischen PET-Flasche darstellen, aber nur, wenn diese aus recycelten Materialen bestehen und nicht über weite Strecken transportiert werden.
Um unser lineares Wirtschaftssystem in eine Kreislaufwirtschaft überzuführen werden insbesondere innerhalb der Europäischen Union eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen gesetzt. Damit aber die Transformation erfolgreich ist, müssen sich aus der Kreislaufwirtschaft neue Möglichkeiten für die Wirtschaft ergeben. Wo könnten diese gefunden werden?
Drei Bausteine für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft h5 >
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Abfallvermeidung
Die Abfallvermeidung ist jener Baustein der am stärksten von uns selbst mitbestimmt werden kann und den Kern regulatorischer Debatten ausmacht. Abfallvermeidung erscheint auch als jener Baustein, der stark von Verboten geprägt ist. Sicher, es geht hier um Einschränkungen, sei es um Verbote bestimmter Produkte, aber auch um Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer von Gütern. Eine sich daraus ergebende Verringerung der Umschlagshäufigkeit von Produkten wird nicht immer über Preisgestaltung ausgeglichen, zumal sie auch Folge von Modeerscheinungen ist.
Es stellt sich daher die Frage, wie hier die Wirtschaft profitieren soll? Die Chancen ergeben sich einerseits durch materialwirtschaftliche Fortschritte und Produktdesign, andererseits im Zusammenhang mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Die Möglichkeiten für materialwirtschaftliche Fortschritte und Produktdesign erklären sich aus der Notwendigkeit, Produkte an die Anforderungen nachhaltig erzeugter Rohstoffe anzupassen, auf den Einsatz bestimmter Materialien zu verzichten beziehungsweise durch andere Materialien zu ersetzen. Digitalisierung und künstliche Intelligenz unterstützen in der Anpassung von Produktionsprozessen; in der Umsetzung von Designvorgaben und in der ressourcenschonenden Produktion. Auch die bedarfsgerechte Planung von Wartungsschritten für Anlagen durch ‚predictive maintenance‘ wird durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz erst möglich. Daraus ergebende Einsparungsschritte können sich positiv auf Produktmargen auswirken und etwaige „Verluste“ durch Produkte mit längerer Lebensdauer abfedern. Sicher, softwarebasierte Anlagen und die flächendeckende Umsetzung von IoT Konzepten erhöhen den Kostendruck. Schließlich ist es notwendig IT basierende Systeme regelmäßig an neue Softwareversionen anzupassen. Auch können moderne, digitale Anlagenteile nicht mehr Jahrzehntelang eingesetzt werden, sondern verfügen häufig über eine deutlich kürzere Lebensdauer.
2. Wiederverwertung
Die Wiederverwertung ist der wohl bekannteste Baustein der Kreislaufwirtschaft. Letztlich geht es aber nicht nur um die Wiederverwertung pflanzlicher Stoffe, Glas, Papier, Metalle oder PET Flaschen. Auch geht es nicht ausschließlich um das Downcycling, bei dem eingesammelte Produkte nur begrenzt wiederverwertet werden können, um dann doch nach wenigen Schritten als Abfall aus dem Kreislauf auszuscheiden. Ein weiteres Beispiel aus der (erweiterten) Nahrungsmittelindustrie ist etwa die profitable Nutzung von Nebenprodukten für den eigenen Erzeugungsprozess oder für alternative Endprodukte. Auch „shared services“ sind letztlich eine Kombination der Abfallvermeidung und Wiederverwertung. Mit der Wiederverwertung haben diese nämlich die Notwendigkeit eines entsprechenden logistischen Konzeptes für die „mehrmalige“ Verwendung des Produktes gemeinsam. Potentiale für die Wirtschaft ergeben sich im Design und der Materialwirtschaft (Produktgestaltung und Konzepte zur Förderung der Wiederverwertung bzw. mehrmaligen Verwendung), in digitalen Konzepten (die die Nutzung für die mehrmalige Verwendung optimiert) und in nachhaltigen Logistiklösungen (u.a. Einsammeln und Verteilung, Verhinderung von Missbrauch bei shared services).
3. Rückführung
Die Rückführung in ihre ursprünglichen Bestandteile ist der dritte Baustein der Kreislaufwirtschaft. Dieser ermöglicht die kontinuierliche Wiederverwertung von Stoffen, indem diese mechanisch oder chemisch in ihre verarbeitbaren Ausgangsstoffe zurückgeführt werden. Ein Beispiel hierfür ist etwa die von der OMV angewendete Re-Oil Technologie für Plastik oder die Erzeugung von Treibstoffen aus Altöl. Da gerade dieser Baustein noch in seinen Anfängen steckt, eröffnen sich in diesem Bereich ungeahnte Möglichkeiten für die Wirtschaft. Doch zuerst bedarf es innovativer Lösungen, um profitable chemische beziehungsweise mechanische Technologien zu entwickeln und aufzubauen. Daneben sind optimierte Logistikkonzepte für die Sammlung und den klimaschonenden Transport der erforderlichen Rohstoffmengen zu entwickeln. Auch das Produktdesigns ist gefordert. Es gilt problematische Zusatzstoffen zu vermeiden.
Nicht Insellösungen, sondern Kooperationen sind für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft notwendig.
Obwohl jedes dieser Elemente Möglichkeiten für Unternehmen eröffnet, bedarf eine erfolgreiche Transformation den Aufbau eines entsprechenden Ecosystems für Kreislaufwirtschaft. Die WirtschaftsteilnehmerInnen unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen müssen entsprechend zusammenarbeiten, um Produktdesign, Materialwirtschaft, Prozessschritte sowie die Sammlung und den Transport bestmöglich auf die Erfordernisse der Kreislaufwirtschaft abzustimmen. Nicht Insellösungen, sondern Kooperationen sind für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft notwendig. Gerade hier ist auch die ÖBAG gefordert, zumal sie mit der OMV/Borealis einen Player im Portfolio hat, der dieses Thema für die Zukunft besetzen kann. Darüber hinaus kann auch die Post als Österreichs größter Logistikkonzern einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten; oder die Telekom Austria, die nicht nur in ihrem Endkundensegment kurzlebige Konsumgüter vermarktet, sondern als digitaler Partner auch Geschäftsmodelle in ihrer Transformation in die Kreislaufwirtschaft unterstützen kann.
Jürgen Prumetz betreut in der ÖBAG den Verbund und die OMV und verfügt über langjährige, sektorübergreifende Transaktions- und Finanzierungserfahrung. Vor seiner Zeit in der ÖBAG arbeitete Jürgen Prumetz knapp 14 Jahre in der Erste Group Bank AG, davon mehr als zwei Jahre als Leiter des Corporate Finance Teams in Polen.