Krisenfestigkeit durch Nachhaltigkeit

Karin Huber-Heim, 26. April 2021
Die Integration von Aspekten der Nachhaltigkeit in das Finanzsystem wird in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle in der Stärkung und Schaffung von unternehmerischer Resilienz in Krisen spielen. Environmental, Social und Governance Kriterien (ESG) als integrale Bestandteile einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Finanzwesen zu etablieren ist unerlässlich, um den Herausforderungen für die Zukunft unserer lokalen und globalen Gesellschaften zu begegnen.
Auch InvestorInnen äußern bereits seit mehreren Jahrzehnten Bedenken hinsichtlich der fehlenden oder mangelnden Nachhaltigkeit unternehmerischer Aktivitäten. Aber bis vor kurzem setzten sie ihre Worte nicht in die Tat um. Auch wenn es heute bereits einige Unternehmen gibt, die sich durch
- punktuell wertebasiertes Handeln,
- ethische Entscheidungsprozesse oder
- die Verknüpfung mit Innovation
ihre Marktführerschaft sichern und Nachhaltigkeitsfragen sogar in ihre Investitionskriterien integrieren: sehr bald schon werden CEOs vermehrt von InvestorInnen für ihre unternehmerische Performance anhand von konkreten ESG-Kriterien zur Rechenschaft gezogen werden.

ESG bei InvestorInnen an erster Stelle
Im Mai 2019 veröffentlichten Robert G. Eccles, Professor für Managementpraxis an der Saïd Business School der Universität Oxford (UK) und Svetlana Klimenko, Spezialistin für Finanzmanagement in der Weltbank, im Harvard Business Review die vielbeachteten Ergebnisse ihrer Studie zu InvestorInnenverhalten und der Relevanz von ESG. Dazu wurden 70 leitende Angestellte von 43 globalen, institutionellen Investmentfirmen befragt, darunter die drei weltgrößten VermögensverwalterInnen (BlackRock, Vanguard und State Street) und Vermögenseigentümer wie das California Public Employees‘ Retirement System (CalPERS), das California State Teachers‘ Retirement System (CalSTRS) und die staatlichen Pensionsfonds von Japan, Schweden und den Niederlanden. Die Studie stellt die bisher umfassendste und umfangreichste Erhebung zum Thema dar, an der leitende MitarbeiterInnen der größten Investmentfirmen beteiligt waren. Eccles und Klimenko stellten fest, dass ESG bei den befragten Führungskräften fast durchgängig an erster Stelle ihrer Überlegungen stand.
Green Deal – Nachhaltigkeitskriterien im Finanzwesen
Die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Finanzsystem wird eine wichtige Rolle bei der Erreichung jener Ziele sein, die von den Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und dem Pariser Klimaabkommen vereinbart wurden. Der Green Deal der Europäischen Kommission wird zusammen mit der neuen EU-Industrie-Strategie und dem im März 2018 veröffentlichten Aktionsplan für nachhaltiges Finanzwesen einen großen Einfluss auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in den Finanzsektor nehmen. Der Aktionsplan zielt darauf ab, „Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken“, „finanzielle Risiken zu managen, die aus der Erschöpfung von Ressourcen durch den Klimawandel, Umweltzerstörung und sozialen Problemen resultieren“ und „Transparenz und Langfristigkeit in finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu fördern.“ Ein wichtiger Bestandteil des Plans ist ein Klassifikationssystem (Taxonomie), um verstehen zu können, ob bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten großer Unternehmen ökologisch nachhaltig sind – und zielt damit auf die „E“-Aspekte der ESG Kriterien ab. Aufgrund der globalen Pandemie befindet sich aber auch bereits die Klassifikation von „S“-Kriterien in Diskussion.
Diese Richtungsentscheidungen werden wesentlich zum Aufbau von Finanzmarktstrukturen führen, die Anreize für Investitionsverschiebungen und eine zukunftsfreundlichere Kapitalallokation schaffen. Die Technische Expertengruppe (TEG) für nachhaltige Finanzen befasst sich des Weiteren mit der Schaffung eines EU-Standards für grüne Anleihen, der Festlegung von Mindeststandards und Mindestanforderungen an die Offenlegung bei der ESG-Integration sowie mit Metriken, die eine bessere Nachvollziehbarkeit von klimabezogenen Informationen ermöglichen.
Die Europäische Union will damit auch ihre Klima- und Energieverpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen erfüllen, sowie den Kapitalfluss in Bereichen fördern, die zu den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beitragen. Der europäische Green-Deal-Investitionsplan und der Just Transition Mechanismus, der im Januar 2020 veröffentlicht wurde, sollen im nächsten Jahrzehnt mindestens 1 Billion Euro an nachhaltigen Investitionen mobilisieren und der europäischen Wirtschaft neue Impulse verleihen. Er wird einen Rahmen zur Erleichterung öffentlicher und privater Investitionen schaffen, die für den Übergang zu einer klimaneutralen, grünen, wettbewerbsfähigen und integrativen Wirtschaft erforderlich sind.
Nachhaltigkeit – ein Faktor für mehr Resilienz
Die ÖBAG und ihre Portfoliounternehmen haben die Chance, eine nachhaltige Kursanpassung einzuleiten und einen wertvollen Beitrag für einen modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort zu leisten. Eine nachhaltige Unternehmensstrategie bedeutet in diesem Zusammenhang die Entwicklung einer adaptiven Resilienz in Bezug auf künftige Herausforderungen. Die Finanzierung zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Verringerung des Drucks auf die Umwelt (unter Berücksichtigung von sozialen und Governance-Aspekten) ist darüber hinaus auch als Innovations- und Wettbewerbsfaktor zur Standortsicherung Europas zu verstehen. Dazu tragen die Transparenz von Risiken im Zusammenhang mit ESG-Faktoren ebenso bei wie die Minderung solcher Risiken durch eine angemessene Governance. Dies soll die Resilienz von Finanzinstitutionen – ebenso wie jene von Wirtschaftsunternehmen – stärken und letztlich der Gesellschaft als Ganzes dienen.
Karin Huber-Heim ist Expertin für unternehmerische SDG-Strategie mit langjähriger internationaler Projekterfahrung in Corporate Sustainability & Innovation, sowie akademischem Hintergrund in Kommunikation und Psychologie. Seit Juni 2020 ist sie Director des neu gründeten Circular Economy Forum Austria.