B(enefit) Corp(oration): Plan B wird zu Plan A
Aakriti Chandihok , 20.09.2021
Sustainable Corporate Governance wird Realität. Zwei Trends aus den USA sind für die europäische Debatte zukunftsweisend. Das B Corp Zertifikat belegt derzeit für circa 4.000 Unternehmen aus mehr als 70 Ländern ihren ausgewiesenen Nachhaltigkeitsanspruch, Tendenz steigend. Die Benefit Corporation, eine eigene Gesellschaftsform nach US-Gesellschaftsrecht, schafft den Rechtsrahmen um Nachhaltigkeit mit dem Unternehmensinteresse zu vereinen. Chance und Herausforderung zugleich.
B Corp – Eine Balance zwischen Benefit and Business
Vor rund 15 Jahren entstand die Idee. Unternehmen, die nachgewiesenen ESG-Standards genügen, erhalten ein Label, das B Corp. Kostenpflichtig und ressourcenaufwendig. Beide Faktoren gewährleisten, dass die betreffenden Unternehmen Nachhaltigkeit ernst nehmen und kein „green washing“ betrieben wird.
Das B Corp Label beruht auf der Idee, dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung tragen und somit Lösungen für Herausforderungen, wie soziale Ungerechtigkeit, anbieten können. Für Investoren ein klarer Hinweis, dass sie mit ihrem Investment einen Beitrag zu einer verantwortungsvollen Wirtschaft leisten.
Der Shift von Shareholder zu Stakeholder Value hat längst Einzug in die Wirtschaftsdiskussion der Gegenwart gefunden. Ein Richtungswechsel, der einerseits zukunftsweisend ist, andererseits noch in einigen Punkten Umsetzungsschwierigkeiten birgt. Das B Corp hilft hier Vertrauen in die jeweiligen Unternehmen zu stärken und stellt sicher, dass der Nachhaltigkeitsanspruch im Unternehmen gelebt wird.
Die Zertifizierung beruht auf einem umfassenden Audit. In den Kategorien „Governance, Arbeitnehmer, Kunden, Gesellschaft und Umwelt“ müssen die Bewerber einschließlich Supply Chain überzeugen. Die Bewertung bestehender Prozesse ist eine herausfordernde Aufgabe, allerdings auch eine Chance für viele Unternehmen sich neu aufzusetzen, Prozesse zu optimieren und letztlich nachhaltiger zu werden.
Zertifizierte Unternehmen müssen beispielsweise im Bereich Governance ihr ESG-Ziel als Teil ihres Unternehmensziels verankern und eine angemessene Einbeziehung der relevanten Gremien vorweisen, um dieses Unternehmensziel zu erreichen. Fragen der Transparenz, wie Zugang zu Finanzinformationen und Diversität in den Gremien sind ebenso relevant, um eine gute Governance innerhalb des Unternehmens vorzuweisen.
Auch gesellschaftliches Engagement wird bewertet. Neben der Prüfung der Supply Chain, insbesondere entlang von Menschenrechtsstandards, kommt es auf das bürgerschaftliche Engagement des Unternehmens an. Auch wird geprüft, ob die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens einem gemeinnützigen Zweck zumindest indirekt dienen.
Umwelt wird selbstverständlich bei der Prüfung großgeschrieben. Emissionsaufkommen, Materialverwendung und –beschaffung sowie Energieaufwand sind einige der Kriterien, die bei der Bewertung gemessen werden.
Letztlich hat das Unternehmen auch die Stakeholder, MitarbeiterInnen und KundInnen zu berücksichtigen. Insbesondere werden die Angemessenheit der Vergütung, der Benefits, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die Unternehmenskultur oder Arbeitsplatzflexibilität und Arbeitsplatzsicherheit unter die Lupe genommen.
Die Anzahl der zertifizierten B Corp-Unternehmen wächst langsam. In Österreich tragen auf Basis offizieller Informationen zwei Unternehmen das Label. Zu den international bekannten B Corps zählen beispielsweise The Body Shop oder Ben & Jerry‘s. Ein Trend, der seinen Weg von den USA nach Europa fand – mit starken Partnerschaften in Deutschland und den Niederlanden – und den wir als ÖBAG weiter beobachten werden.
Benefit corporation – Eine Rechtsform mit Chancen und Herausforderungen
Innovative Ansätze für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft finden sich auch in den rechtlichen Grundlagen. Das Gesellschaftsrecht einiger US-Bundesstaaten sieht die Möglichkeit einer eigenen Rechtsform vor, in denen das Unternehmensinteresse auch das ESG-Ziel der Gesellschaft umfasst. Diese Rechtsform schafft den Rahmen für eine „mission-aligned“ Governance. Die Berücksichtigung der ESG-Komponente in der Satzung verankert das „Stakeholder“-Prinzip, das im Gegensatz zum Shareholder Prinzip den Fokus des Unternehmensinteresses nicht nur in der Gewinnerzielungsabsicht, sondern auch in der Erfüllung anderer, insbesondere gesellschaftlicher, sozialer Interessen sieht.
Diese Möglichkeit mag trivial erscheinen, doch verbergen sich dahinter einige spannende rechtliche Fragestellungen. Insbesondere Fragen rund um die Geschäftsführer-/Vorstandshaftung werden in neuem Licht diskutiert. Schließlich ist der Sorgfaltsmaßstab mit Ausrichtung finanzieller versus nicht-finanzieller Erfolg nicht immer der gleiche. Im Falle widerstreitender Interessen stellt sich insbesondere die Frage des Kräfteverhältnisses innerhalb der „mission-aligned“ Governance. Auch das Berichtswesen ist auf die Umsetzung der Satzungsinhalte, einschließlich Nachhaltigkeitsziele, ausgerichtet. Fragen der Transparenz, Offenlegungspflichten und die Inhalte der jeweiligen Berichte müssen daher diesem Nachhaltigkeitsanspruch hinreichend genügen.
Auch europäische Rechtsordnungen, wie jene in Italien, haben ähnliche Rechtsformen wie die Benefit Corporation. International gesehen sind Benefit Corporations noch nicht weit verbreitet. Auch wenn B Corps und Benefit Corporations nicht inhaltsgleiche Begriffe sind, so ergänzen sie sich für eine voll integrierte nachhaltige Unternehmenskultur. Die Benefit Corporation schafft die Grundlage für das Management ihr unternehmerisches Tun an ihren Nachhaltigkeitszielen im Sinne des Stakeholder Prinzips auszurichten, die B Corp stellt sicher, dass diese sich in allen Unternehmensdimensionen wiederfindet. Beide Ansätze bieten Ideen für die europäische Debatte rund um Sustainable Corporate Governance und der dazugehörigen Richtlinie, die bis Ende 2021 von der EU Kommission angenommen werden soll.
Aakriti Chandihok ist Direktorin der ÖBAG und leitet den Bereich Recht und Compliance in der ÖBAG. Vor ihrem Eintritt in die ÖBAG hat sie internationale Berufserfahrung sowohl in der Anwaltschaft als auch der Strategieberatung gesammelt und verbindet Expertise im Unternehmens- und Kapitalmarktrecht mit den Bereichen Nachhaltigkeit und Governance.