ESG-Monitoring: Nachhaltigkeit messbar machen
Stefan Setzger, 07.06.2021
Seit mehreren Jahren beschäftigen sich WissenschaftlerInnen mit der Hypothese, dass erfolgreiche Nachhaltigkeitsperformance (ESG: Environmental, Social und Governance) den finanziellen Erfolg von Unternehmen positiv beeinflusst. Eine Meta-Analyse der NYU-Stern Universität widmete sich dieser Fragestellung und analysierte über 1.000 Studien von 2015 bis 2020 zur Erörterung dieser möglichen Korrelation. Die Universität schlussfolgerte, dass eine positive finanzielle Entwicklung durch ESG vor allem auf einen langen Zeithorizont erfolgt, sowie das nachhaltige Initiativen die finanzielle Performance von Unternehmen durch Faktoren wie optimierte Innovationsfähigkeit und verbessertes Risiko-Management bestärkt.
ÖBAG Nachhaltigkeitsagenda vom Konzept zur Umsetzung
Im Rahmen der ÖBAG Nachhaltigkeitsagenda wurde im Jahr 2020 eine Strategie für die ESG Fokussierung im aktiven Beteiligungsmanagement des Portfolios entwickelt. Als Verwalterin des Vermögens der ÖsterreicherInnen und zentraler Player des heimischen Wirtschaftsstandorts ist es Auftrag, Verantwortung und Verpflichtung zugleich, nachhaltige und klimagerechte Technologien und Geschäftsfelder zu fordern, zu fördern und zu unterstützen.
Im Sinne eines aktiven Beteiligungsmanagements entsendet die ÖBAG ExpertenvertreterInnen in die Aufsichtsräte der Beteiligungsunternehmen und setzt aktiv Schwerpunkte im Sinne der nachhaltigen Entwicklung der Unternehmen und zum Wohle Österreichs. Ende 2020 wurde mit frischem Elan ein Portfolio-übergreifendes Nachhaltigkeits-Monitoring etabliert und der Diskurs mit den Beteiligungsunternehmen vertieft. Durch die Erhöhung des Fokus auf Nachhaltigkeitsagenden und die Detaillierung der Diskussionsebene kann die ÖBAG Aufsichtsräte im Sinne eine Sparring-Funktion mit tiefergehenden Analysen unterstützen.
Ein Versuch, ESG Performance zu verstehen
Ähnlich wie im Finanzbereich mit den bekannten Bonitätsbewertungen von S&P, Moody’s & Co beschäftigen sich Rating-Agenturen zunehmend mit Bewertungen zur ESG-Performance von Unternehmen. Eine Studie der amerikanischen MIT Sloan School of Management aus dem Jahr 2020 stellte fest, dass zwischen den Bewertungen der namhaften ESG Rating-Agenturen signifikante Unterschiede im Ranking der ESG Performance vorlagen. Diese Divergenz in den Bewertungsmetriken führt zum Beispiel dazu, dass ein Unternehmen bei Rating Provider A als Branchenprimus angeführt werden kann, allerdings bei einer weiteren Agentur im hinteren Mittelfeld klassiert sein könnte. Dieser Effekt beruht vor allem darauf, dass Rating-Agenturen unterschiedliche Metriken mit abweichenden Gewichtungen verwenden.
Um ein holistisches Bild der Nachhaltigkeitsperformance der ÖBAG Beteiligungen zu ermöglichen und die Abhängigkeit zu einzelnen Rating-Agenturen zu verringern, wurde ein eigenes Nachhaltigkeits-Kennzahlensystem aufgestellt. Dieses Monitoring berücksichtigt einerseits wesentliche industriespezifische Messgrößen und ermöglicht andererseits auch einen industrie-agnostischen Blickwinkel auf die nachhaltige Entwicklung des Gesamtportfolios. Um die Ziele der ÖBAG Nachhaltigkeitsagenda zu erreichen, wurde daher ein Vorgehensmodell zur ESG-Analyse der Portfoliounternehmen erstellt.
In vier Schritten zur nachhaltig positiven Entwicklung
Mit dem Ziel der Identifikation von Hebeln zur nachhaltigen Wertsteigerung wurde ein vierstufiges Vorgehensmodell zur Etablierung eines ESG-Monitoring Systems entwickelt. Durch die Fokussierung auf Nachhaltigkeitsaspekte und Initialisierung von Diskussionen können künftig konkrete ESG-Ziele mit den wesentlichen ÖBAG-Beteiligungen diskutiert werden.
- Konzept entwerfen
In Zusammenarbeit mit internationalen ExpertInnen wurde ein ESG Portfolio-Monitoring entwickelt, welches die Performance im Umweltbereich (z.B. CO2-Emissionen, Energieverbrauch), soziale Aspekte (z.B. Diversität, Health & Safety) und Governance (z.B. ESG Vergütungssysteme) mess- und steuerbar macht. Anschließend wird die Performance mit internationalen Branchen-Peers verglichen, um mögliche Chancen und Potenziale zur individuellen Verbesserung aufzuzeigen.
2. Diskurs mit StakeholderInnen starten
Die im Rahmen des internationalen Benchmarkings aus einer Outside-In Perspektive identifizierten Stärken und Verbesserungspotenziale werden in Sparring-Sessions mit ExpertInnen in den Aufsichtsräten, den Beteiligungsunternehmen und NGOs diskutiert.
3. Verantwortung zeigen
Über die Arbeit in den Aufsichtsräten wird die proaktive Setzung von ESG-Zielen in den Vergütungssystemen des Managements gefördert. Alle börsennotierten Beteiligungen der ÖBAG haben mittlerweile ESG-Ziele in den Vergütungssystemen verankert. Das bedeutet, dass die Vorstandsvergütung neben finanziellen Erfolgen auch von ESG-Kriterien abhängig gemacht wird. Ein Blick über den Atlantischen Ozean hinweg zeigt, dass rund jedes fünfte der 250 größten S&P Unternehmen bereits ESG-Ziele in die Incentivierungspläne der Management-Vergütung inkludiert. Der Vergleich zu den größten Unternehmen der USA macht deutlich, dass Unternehmen wie die Österreichische Post, VERBUND, die OMV und die A1 Telekom Austria in diesem Bereich bereits einen Schritt voraus sind.
4. Mehrwert stiften
Die ÖBAG versteht sich als Treiber für die Weiterentwicklung von Portfolio-übergreifenden Nachhaltigkeitsinitiativen. Das Heben von Synergien (Beispiel Wasserstoff OMV/Post) zwischen den Beteiligungen sowie das Bieten einer Plattform zum Teilen von Best-Practice-Modellen sind Instrumente, die einen nachhaltigen Fortschritt in den einzelnen Unternehmen unterstützen.
Das ESG-Umfeld ist aktuell durch verstärkte regulatorische Bestrebungen zur Klimaneutralität und voranschreitender Konsolidierung von Standards und Normen von hoher Dynamik und Veränderung geprägt. Um diesen Anpassungen auch in Zukunft gerecht zu werden, erfolgt die Analyse der ESG-Performance nach dem Prinzip der Ambidextrie. Dazu werden bereits messbare Größen, wie zum Beispiel die Reduktion von CO2-Emissionen, weiter beobachtet und gefördert. Parallel dazu werden zukünftige Entwicklungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Themen wie der Biodiversität und Kreislaufwirtschaft, beobachtet und in naher Zukunft in das Monitoring-System integriert. Ein wahrer „Game-Changer“ für die Harmonisierung von ESG Investitionen könnte die EU-Taxonomie werden, die im April 2021 in der ersten Ausbaustufe veröffentlicht wurde.
Viele der ÖBAG-Portfoliounternehmen sind bereits heute im internationalen Branchen-Vergleich Vorreiter in den Bereichen der erneuerbaren Energie, Nutzung von E-Mobilität und Diversität. Nachhaltigkeit ist auch ein wichtiger Fokus des ÖBAG Portfolio-Managements. Mit dem Ziel, dass die ÖBAG Beteiligungen heute und in Zukunft neben finanziellen, auch ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert für Österreich schaffen.
Stefan Setzger beschäftigt sich mit der beteiligungsübergreifenden Analyse der ESG Performance des ÖBAG Portfolios. Vor seinem Start bei der ÖBAG arbeitete er im Management Consulting mit einem Fokus auf Strategieberatung. Studienaufenthalte in Irland, Chile und China prägten sein Verständnis für globale Wirtschaftszusammenhänge.