EU Right-to-Repair: Nachhaltiger Lebenszyklus
Aakriti Chandihok, 19.04.2022
Der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat den Anspruch, die europäische Wirtschaft auf Grün zu schalten, nicht nur im Sinne des Umweltschutzes und der Verbraucherrechte, sondern auch in Sachen Wettbewerbsfähigkeit. Ein EU-Barometer besagt, dass für mehr als 90 Prozent der EU Bürger Umweltschutz wichtig ist, vergleichbar viele halten den Klimawandel für ein ernstzunehmendes Problem. Dass daher 86 Prozent der EU-Bürger einen europäischen Rechtsrahmen zum Schutz der Umwelt für wichtig hält, überrascht nicht. Ein wichtiges Instrument darin: Das Recht auf Reparatur.
Gemeinsames Ziel: Klimaneutralität bis 2050
Der Aktionsplan stellt EU-weite Initiativen für den Product-lifecycle vor, beginnend vom Design bis zur Reparatur, um ressourcenschonend für die Wirtschaft zu operieren. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist der Übergang zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft unumgänglich. Die Hälfte des CO₂-Footprints stammt aus Rohstoffgewinnung und -verarbeitung. Zusätzlich setzt sich der Aktionsplan auch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und eine Ankurbelung des Wettbewerbs zum Ziel.
Ein wesentlicher Hebel ist die Produktionspolitik. So soll der Ökodesign-Rahmen auf ein möglichst breites Produktspektrum angewendet werden, dies gekoppelt mit einer Verankerung der Nachhaltigkeit in den einschlägigen Produktionsbedingungen. Auch soll der Verbraucherschutz ein „Recht auf Reparatur“ vorsehen.
„Recht auf Reparatur“ als wesentlicher Faktor der Kreislaufwirtschaft
Das Recht auf Reparatur soll integraler Bestandteil der Verbraucherrechte werden. Zwar ist die Mängelbehebung seit längerem ein primärer Anspruch im österreichischen Gewährleistungsrecht, wenig beleuchtet wurde bislang allerdings ihre Bedeutung aus Sicht der Nachhaltigkeit. Die Waste-Reduktion, die mit einer Stärkung des „Reparaturanspruchs“ einhergeht, ist ein wesentlicher Faktor, um die Kreislaufwirtschaft zum Leben zu erwecken. Auch unterschätzt wird wohl bislang, dass der Fokus auf Reparatur unter Umständen zu einer Verbesserung der Qualität in der Produktion führen kann. Aus wirtschaftlicher Sicht schafft das Recht auf Reparatur eine Incentivierung für das Unternehmen, die Fehleranfälligkeit seiner Produkte zu reduzieren, um seltener in Anspruch genommen zu werden. Aus europäischer Sicht ein wichtiger Hebel, um im Bereich der Lieferkette ein Differenzierungsmerkmal zu etablieren. Ein Abrücken von der Wegwerfkultur ist ein großer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.
Auch incentiviert das „Recht auf Reparatur“, Reparaturstätten und in der Folge wohl auch Produktionsstätten näher an den Standort zu bringen, was ebenfalls die Lieferkette stärker nach Europa bringt. Der Spillover-Effekt auf die Lieferkette kann ein Weg sein, um auch die zusätzlichen Verantwortlichkeiten an die Unternehmen aus den bevorstehenden Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Lieferketten-Richtlinie besser zu adressieren.
Recht auf Reparatur als Katalysator für Innovation
Das Recht auf Reparatur kann auch im Innovationsbereich ein Katalysator sein. Upcycling ist eine Form der Wiederverwertung vermeintlicher Abfallprodukte und die Schaffung eines neuwertigen Produkts. Dieser Trend bestimmt die Nachhaltigkeit im Innovationsbereich und ist ein wertvoller Nährboden für neue Produkt- und Designideen. Weitergedacht, bietet das Recht auf Reparatur auch das Potenzial, diesem Trend zusätzlichen Aufwind zu verleihen. Jene Produkte, die sich nicht mehr für eine Reparatur eignen, könnten in Folge jedenfalls noch upgecycled werden. Diesen Prozess könnten Unternehmen auch gezielt fördern und dadurch neue Produktideen generieren. Chancen, die auch die Unternehmen im ÖBAG-Portfolio nutzen. So werden von A1 Telekom seit 2004 alte und defekte Handys dem Recycling-System zugeführt. Rohstoffe wie Gold, Silber, Palladium oder Kupfer gelangen damit wieder in den Kreislauf zurück.
Als eines der größten Industrieunternehmen Österreichs treibt die OMV mit ihrer neuen Strategie die Kreislaufwirtschaft aktiv voran und fokussiert dabei ganz auf das Thema Innovation beim Thema Kunststoffrecycling.
Die Kreislaufwirtschaft ist allerdings nicht nur ein Trend, sondern auch eine Notwendigkeit. Daher schafft der Rechtsrahmen entsprechende Hebel, um die Wirtschaft in diese Richtung zu lenken. Für die Wirtschaft ist dies wiederum eine Chance, um den Output für sich im Sinne der Nachhaltigkeit und Innovation zu erhöhen.
Aakriti Chandihok ist Direktorin der ÖBAG und leitet den Bereich Recht und Compliance in der ÖBAG. Vor ihrem Eintritt in die ÖBAG hat sie internationale Berufserfahrung sowohl in der Anwaltschaft als auch der Strategieberatung gesammelt und verbindet Expertise im Unternehmens- und Kapitalmarktrecht mit den Bereichen Nachhaltigkeit und Governance. Zuletzt hat sie zum Sustainable Corporate Governance hier publiziert.