OECD-Leitsätze für Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen – Worum geht es?
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Aakriti Chandihok, 19.02.2025
Die wirtschaftliche und gemeinwohlorientierte Bedeutung von staatseigenen Unternehmen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Inzwischen machen sie 12% der globalen Marktkapitalisierung aus und ihr absoluter Anteil unter den 500 global größten Unternehmen hat sich vervierfacht. Diese Gewichtung verdeutlicht die Bedeutung einer starken Corporate Governance in diesen Unternehmen.
Die Standards in staatseigenen Unternehmen werden von vielen Akteur:innen in der Wirtschaft wie am Kapitalmarkt genau beobachtet und übernommen. Die neuen Leitsätze der OECD haben empfehlenden Charakter und den Anspruch, ein Höchstmaß an Corporate Governance und Best Practices aufzuzeigen.
Die ÖBAG als unabhängige Staatsholding in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft verwaltet 10 Beteiligungen, von denen manche die Definition von staatseigenen Unternehmen erfüllen. (Definitionen, insbesondere zur Bestimmung von SOEs, S. 9ff.) Allerdings sieht die ÖBAG – unabhängig von der Klassifizierung ihrer Beteiligungen – die Leitsätze als eine Inspirationsquelle für ihre Arbeit, da sie eine maßgebliche Orientierung für Best-in-Class Corporate Governance bieten, insbesondere hinsichtlich Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
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Welche Maßnahmen werden mit Blick auf SOEs insbesondere empfohlen?
- Festlegung einer Eigentümerstrategie
- Der Staat wird ermutigt, eine klare Eigentümerstrategie zu entwickeln. Diese Strategie soll die rationalen Gründe für staatliches Eigentum sowie die Zielsetzungen der jeweiligen Unternehmen definieren.
- Regelmäßige Überprüfungen dieser Eigentümerstrategie sollen sicherstellen, dass sie an die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Anforderungen angepasst wird.
- Verantwortung des Staates als Eigentümer
- Der Staat soll als aktiver und informierter Eigentümer auftreten, die Governance von SOEs überwachen und sicherstellen, dass diese effizient und nachhaltig geführt werden.
- Trennung von Eigentümer- und Regulierungsfunktionen
- Um Interessenkonflikte zu vermeiden, wird eine klare Trennung der Rolle des Staates als Eigentümer und als Marktregulator empfohlen. Dies soll sicherstellen, dass politische Entscheidungen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht beeinflussen.
- Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht
- Vergleichbar große SOEs sollten dieselben Standards für Transparenz und Rechenschaftspflicht erfüllen wie börsennotierte Unternehmen. Dazu gehören regelmäßige Berichte zu finanziellen und nicht-finanziellen Leistungen sowie Offenlegung von Vergütungsrichtlinien für Vorstände.
- Implementierung von Nachhaltigkeit
- Einführung eines neuen Kapitels zu „Staatseigenen Unternehmen und Nachhaltigkeit“, das klare Empfehlungen für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen im Management und der Governance von SOEs macht.
- Erwartung an Vorstände, Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen in ihre strategischen und operativen Entscheidungen zu integrieren.
- Stärkung des Wettbewerbs
- Maßnahmen zur Sicherstellung eines „Level Playing Field“, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für SOEs und private Unternehmen zu gewährleisten.
- Transparente Trennung von wirtschaftlichen und öffentlichen Funktionen, um Marktverzerrungen zu vermeiden.
- Corporate Governance
- Einführung höherer Standards für die Zusammensetzung und Qualifikationen der Vorstände, einschließlich Vielfalt und Unabhängigkeit.
- Förderung eines transparenten und meritokratischen Auswahlprozesses für Vorstandsmitglieder (u.a. klare Auswahlkriterien, nachvollziehbarer Prozess, unabhängige Kandidat:innen).
Insbesondere die Schnittstelle zur Politik und der Umstand, dass staatseigene Unternehmen oft in Sektoren operieren, die für die strategische Infrastruktur eines Landes besonders wichtig sind, macht sie anfällig für ungebührliche Einflussnahme. Eine starke Corporate Governance wirkt wie ein Schutzschild vor solchen Interventionen und stärkt im Idealfall auch die wirtschaftliche Performance der Unternehmen.
Insbesondere die Schnittstelle zur Politik und der Umstand, dass staatseigene Unternehmen oft in Sektoren operieren, die für die strategische Infrastruktur eines Landes besonders wichtig sind, macht sie anfällig für ungebührliche Einflussnahme. Eine starke Corporate Governance wirkt wie ein Schutzschild vor solchen Interventionen und stärkt im Idealfall auch die wirtschaftliche Performance der Unternehmen.
Ein wesentlicher Aspekt der Leitsätze betrifft auch die Organisation der Eigentümerrolle. Die Empfehlung einer zentralisierten Eigentümersteuerung, wie es beispielsweise das Konstrukt der ÖBAG für ausgewählte Industriebeteiligungen in Österreich darstellt, soll zur Professionalisierung des Beteiligungsmanagements beitragen.
Durch einen portfolioübergreifenden Blick und koordinierte Steuerung sind eine vorausschauende Eigentümersteuerung und ein höherer Grad an Effizienz und Effektivität wahrzunehmen. Außerdem stellt die Holdingstruktur sicher, dass die Rolle des Staats als Eigentümer klar von den sonstigen Funktionen des Staats vis-a-vis der staatseigenen Unternehmen getrennt ist.
Auch für die Fragen der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsbesetzungen nimmt die ÖBAG Inspiration aus den Leitsätzen. Einige Aspekte und Empfehlungen daraus finden sich auch in den ÖBAG-Leitlinien zu Aufsichtsratsbesetzungen in den Beteiligungen.
Die Bedeutung von staatseigenen Unternehmen wird in der Zukunft weiter steigen. Insbesondere die Energiekrise hat global den Stellenwert solcher Unternehmen in diesem Sektor aufgezeigt. Die Leitsätze versprechen daher, global ein wichtiger Navigator für staatseigene Unternehmen und ihre Eigentümer zu werden, um eine angemessene Corporate Governance in Hinblick auf Transparenz, Professionalisierung und Wettbewerbsfähigkeit von SOEs zu gewährleisten.
Aakriti Chandihok ist Direktorin der ÖBAG und leitet den Bereich Recht und Compliance. Sie hält Aufsichtsratsmandate in der Casinos Austria AG sowie deren Tochterunternehmen, ist Vorstandsvorsitzende der Österreichische Luftverkehrsprivatstiftung (ÖLP) und Mitglied des Bureaus der OECD „Working Party on State Ownership und Privatisation Practices“.