Transformation in der Krise
Sarah Blaimschein, 05.09.2022
Der Gedanke an den kommenden Winter lässt viele Menschen in Österreich erschaudern, selbst wenn draußen Temperaturen um die 38 Grad herrschen. Es macht Angst, dass in den kommenden Monaten in Moskau über das wirtschaftliche Wohl des europäischen Kontinents entschieden wird. Aus der Krise in die Krise – so stellt sich die Realität für viele Management-Teams aktuell dar. Kaum ließen rückläufige Corona-Fallzahlen Optimismus aufkommen, halten der Ukrainekrieg, der Druck auf Lieferketten, die Energiekrise, die hohe Inflation, der Klimawandel und seine Folgen die Wirtschaft auf Trab.
Angesichts instabiler und rezessiver Aussichten müssen Führungskräfte und EntscheiderInnen vielerorts erneut die betrieblichen Weichen auf Krisenmodus umstellen. Denn, von einer raschen Lösung der Energiekrise und der Abwendung der Inflation kann aus heutiger Sicht wohl kaum ausgegangen werden. Vielmehr warnen ExpertInnen zunehmend vor wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Verwerfungen und stimmen uns auf eine über viele Jahre andauernde (Wirtschafts-)Krise in Europa ein. So hielt beispielsweise Ben van Beurden, der CEO von Shell, kürzlich in einem Interview mit der Financial Times fest: „It may well be that we have a number of winters where we have to somehow find solutions through efficiency savings, through rationing and a very, very quick buildout of alternatives.”
Angesichts dieser Aussichten, stellt sich die Frage, wie Unternehmen trotzdem die notwendigen Transformationsschritte rasch vorantreiben können, um im internationalen Vergleich weiter zu reüssieren. Was wird eigentlich aus dem Leitmotiv „Green, Smarter, Digital“?
Vorweg, eine gute Nachricht: Viele Unternehmen und Teams haben während der COVID19-Pandemie Transformationen enorm rasch vorangetrieben und sind widerstandsfähiger als je zuvor. Vor allem in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung ebenso wie „New Leadership“ bzw. „New Work“ wurden wichtige Weichen gestellt, die für mehr Agilität im Unternehmen sorgen. Die Psychologin und Expertin in Change-Management, Mirjam Rolfe, zeigt in einer Studie auf, wie organisationale Resilienz dazu beiträgt, Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit trotz Veränderungsdrucks zu erhalten und fokussiert dabei auf vier Handlungsfelder:
- Unternehmenskultur: Hier geht es um Sinn und Werte, Vertrauen statt Macht und Kontrolle, organisationales Lernen und Fehlerkultur sowie Stärken-Orientierung.
- Bewusste, positive Führung: Diese ist von verschiedenen Führungsstilen geprägt, wie partizipativer Führung, systemischer Führung, Positive Leadership, Transformational Leadership und Servant Leadership.
- Organisationale Energie, also die Geschwindigkeit und Ausdauer, mit der eine Organisation zielgerichtet Dinge bewegt und sich mobilisiert.
- Resilienz fördernde Strukturen und Prozesse, wie die Förderung der Selbstorganisation und von Netzwerken.
Wie also können Unternehmen noch widerstandsfähiger werden und einen hohen Grad an Antizipationsfähigkeit von Umwelt- und makroökonomischen Faktoren gewährleisten? Muss das ökonomische Gewissen neu interpretiert werden und braucht es angesichts des „War for Talents“ auch neue Formen des Leaderships? Klemens Eiter, langjähriger Finanzexperte und CFO der börsenotierten Porr AG spricht beispielsweise von Resilienz als Grundkompetenz. Er analysiert, dass es aktuell vor allem die Geschwindigkeit ist, mit der Krisen-Themen auf Unternehmen zukommen. Daher baut er auf den diversen Kompetenzen und Stärken seiner MitarbeiterInnen: „Diese Erfahrungen sind sehr wichtig und geben Zuversicht in der aktuellen Situation.“
Können angesichts der steigenden Inflation und der Energiepreise die notwendigen großen Transformationen überhaupt realisiert werden? Eine der zentralen Fragen, die von internationalen und nationalen ExpertInnen am 21. September 2022 im Rahmen der CFOaktuell-Jahrestagung in Wien diskutiert wird.
Oder ob die aktuellen Krisen den Wandel und die Transformation bremsen, da die gesamte Aufmerksamkeit und die Ressourcen in die Überlebenssicherung und das wiederkehrende Krisenmanagement fließen. Bei den Diskussionen und Break out Sessions werden wir Themen wie Resilienzmanagement, ESG & Finance/Nachhaltigkeitsreporting, Data Governance, agile Lieferketten, Automatisierung von Finanzprozessen u.v.m. in den Blick nehmen und gemeinsam mit Führungskräften aus den ÖBAG-Portfoliounternehmen aktiv gestalten. Denn nun heißt es, die Not gemeinsam überwinden und mit aller Kraft nach vorne zu gehen. In eine Zukunft, in der wir in Europa mehr auf uns selbst gestellt sein werden, aber auch mehr aus uns selbst herauswachsen können.
Im Anschluss an die Konferenz wird die CFO-Roadmap 2023 erarbeitet. Sie wird anhand der Konferenzbeiträge zeigen, wie organisationale Resilienz dazu beiträgt, Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit trotz Veränderungsdrucks zu erhalten. Mehr Informationen dazu folgen in Kürze.
Sarah Blaimschein ist seit 2014 für das Controller Institut tätig und verantwortet dort die Kommunikations-Agenden des Insituts. Außerdem ist sie die Chefredakteurin der CFOaktuell. Durch die enge Verbindung mit der Wirtschaftsuniversität Wien hat sich das Controller Institut zu einer Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis entwickelt und ist Ansprechpartner für Führungskräfte aus dem Controlling- und Finanzbereich.