Unabhängig sind wir im Kopf
ÖBAG-Redaktion, 18.07.2022
Edith Hlawati, CEO der ÖBAG, spricht im Interview über den gesetzlichen Auftrag sowie ihre Sicht auf Unabhängigkeit, Standortsicherung und die Herausforderungen, vor denen die Beteiligungsunternehmen stehen.
Was verbinden Sie persönlich mit Wandel, dem Leitmotiv dieses Berichtes?
Ich bin Juristin und habe daher eine starke Affinität zu Fakten. Persönlich verbinde ich Wandel mit meiner Nominierung als CEO der ÖBAG. Ich war zuvor über 30 Jahre lang als Anwältin tätig und habe die ÖBAG bzw. ihre Vorgängerorganisationen in verschiedensten Themen beraten. Mir war daher bei meiner Bewerbung für diese Position klar, dass sich alle Beteiligungsunternehmen der ÖBAG in einer Transformation befinden. Dieser Wandel, den wir hier als Eigentümervertreter begleiten werden, hat mich gereizt, mich für diese Position zu bewerben. Insofern hat mich persönlich das Thema Wandel besonders in der zweiten Jahreshälfte 2021 sehr beschäftigt.
Sie bezeichnen die Besetzung der Aufsichtsräte in den Beteiligungsgesellschaften als Ihr wichtigstes Werkzeug. Welche Erwartungen haben Sie an die von Ihnen nominierten Aufsichtsräte?
Wir erwarten von ihnen, dass sie ihre Fachexpertise und Erfahrung einsetzen, um das jeweilige Unternehmen bestmöglich zu begleiten, und so die Interessen der Republik als Eigentümer bestmöglich umsetzen. Wenn wir Aufsichtsräte für unsere Beteiligungsunternehmen auswählen, gehen wir von einem Anforderungsprofil aus, das die Herausforderungen abbildet, vor denen die Unternehmen stehen. Darauf aufbauend suchen wir in unserem bestehenden Experten-Pool oder starten eine externe Suche nach Personen mit dem entsprechenden Profil und der erforderlichen Expertise.
Welche Gesellschaften im Portfolio der ÖBAG vollziehen derzeit einen radikalen Wandel oder entscheidende strategische Weichenstellungen und wie nimmt die ÖBAG als Kernaktionärin darauf Einfluss?
Unternehmen befinden sich im Wandel, genauso wie die gesamte Weltwirtschaft. Die große Herausforderung ist der Umgang mit dieser Veränderung. Wird sie als Bedrohung oder als Chance wahrgenommen? Ich bin seit Februar in meiner Funktion, und alle börsennotierten Gesellschaften in unserem Portfolio sehen sich durch den Krieg in der Ukraine einer völlig neuen Herausforderung ausgesetzt, die teilweise auch wesentliche, strategische Implikationen hat. Unsere Aufgabe ist es, das Management aus der Sicht eines langfristig orientierten Kernaktionärs bei den Entscheidungen zu beraten und mit ruhiger Hand durch die Krise zu begleiten.
Die Portfoliogesellschaften der ÖBAG bieten derzeit 157.500 Arbeitsplätze. Wie trägt die ÖBAG die sich daraus ergebende soziale Verantwortung?
Das ist eine gute Frage, denn sie ermöglicht mir klarzustellen, was unsere Aufgabe ist. Die soziale Verantwortung tragen die Unternehmen selbst, das ist eine ihrer ureigensten Aufgaben. Wir als ÖBAG können über die Aufsichtsräte Einfluss nehmen und tun dies auch. Beispielsweise haben wir über den Aufsichtsrat bei der Post und der Telekom den Frauenkarriereindex eingeführt. Und wir sehen da schon nach den ersten Jahren Erfolge bzw. Fortschritte. Die Aufgabe der ÖBAG ist eine professionelle Verwaltung – im besten Sinn des Wortes – der Unternehmen, an denen die Republik beteiligt ist. Unsere Aufgabe ist es nicht, dem Management dauernd von der Seitenlinie zuzurufen, was sie zu tun haben.
Die größten Gesellschaften im Portfolio der ÖBAG haben essenzielle Funktionen in der Sicherung von österreichischer Infrastruktur und Versorgung. Was kann die ÖBAG tun, damit diese Aufgaben höchste Priorität genießen?
Infrastruktur dient dem Gemeinwohl. Die Qualität der Infrastruktur hingegen profitiert von Innovation und Produktivität der Privatwirtschaft. Ich bin überzeugt, dass wir ein gutes Modell haben: ein Modell, in dem Infrastrukturunternehmen den Mechanismen des Wettbewerbs unterworfen sind, ein unabhängiger Kernaktionär aber gleichzeitig sicherstellt, dass gemeinwirtschaftliche Grundinteressen strategisch geschützt werden. Dieses Modell funktioniert aber nur, wenn die Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, vom Alltag der Politik unbeeinflusst geführt werden können.
Die ÖBAG bezeichnet sich selbst als „unabhängige Holding“. Trifft das zu?
Wir sind in unserem Handeln ganz Österreich verpflichtet, also dem Staat als Ganzem. Dies gilt über die Laufzeit von Organbestellungen und Legislaturperioden hinaus. Wenn wir uns als unabhängige Holding bezeichnen, dann ist das richtig, wenngleich verkürzt. Natürlich gibt es keine unabhängige Aktiengesellschaft. Es wäre ja widersinnig, eine Kapitalgesellschaft vom Willen der Eigentümer unabhängig zu machen. Und wir haben schließlich mit dem Bundesministerium für Finanzen als Vertreter der Republik einen Alleineigentümer. Aber wir sind im Kopf unabhängig. Wir liefern messbare Ergebnisse, frei von politischen Zurufen, und die Transparenz unseres Handelns macht uns unabhängig.
Die Voraussetzungen dafür sind ausgezeichnet: Wir haben ein gutes Gesetz als Grundlage. Wir haben ein kompaktes, engagiertes Team. Und wir haben erfolgreiche Unternehmen im Portfolio. Die ÖBAG ist gut konstruiert und aufgestellt, sie leistet für Österreich wertvolle Arbeit.
Das Interview wurde im Geschäftsbericht 2021 der ÖBAG veröffentlicht.