Unternehmen mit staatlicher Beteiligung im ATX
Bernhard Gill, 22.02.2023
Der Austrian Traded Index (ATX) wurde vor mehr als 30 Jahren – konkret am 13. Mai 1991 –erstmals veröffentlicht und stellt seitdem den Leitindex der Wiener Börse dar. Er enthält die Aktien der 20 größten börsenotierten Unternehmen Österreichs und spiegelt damit auch die Entwicklung und Stimmung der österreichischen Wirtschaft wider. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs untrennbar verbunden sind die österreichischen Unternehmen mit staatlicher Beteiligung. Diese bilden seit Ende des Zweiten Weltkrieges 1945/46 einen essenziellen Bestandteil der österreichischen Wirtschaft und, seit 1991, des ATX. So sind seit dessen Auflage im Jahr 1991 nur drei Unternehmen, nämlich die zwei ÖBAG-Portfoliounternehmen OMV und der VERBUND*, sowie die Wienerberger AG durchgehend im ATX vertreten. Im Zeitraum von 2001 bis 2022 waren insgesamt rund 50 verschiedene Unternehmen Teil des Index.
Zusammensetzung des ATX im Lichte der Staatsholding
Ein Blick auf die Zusammensetzung des ATX im Zeitverlauf zeigt einerseits die Wichtigkeit der „Verstaatlichten“ für den Kapitalmarkt und andererseits die schrittweise Privatisierung von Staatsbeteiligungen über die Börse. Seit 1987 wurden zahlreiche Staatsunternehmen (sowohl direkte Beteiligungen, als auch ÖIAG-Beteiligungen) an die Börse gebracht, wovon viele auch (zeitweise) Teil des ATX wurden. Andere wurden abseits der Börse privatisiert und gingen später als private Unternehmen an die Börse (z.B. Austria Metall AG, AT & S AG).
Der erste Börsengang eines österreichischen Staatsunternehmens war jener der ÖMV AG im Jahr 1987, bei dem 15% der Anteile verkauft wurden. Im Jahr 1988 gingen die Austrian Airlines AG sowie die Verbund AG an die Börse. Ab 1992 folgten weitere Börsengänge: Flughafen Wien AG (1992), VA Eisenbahnsysteme AG (1993), austriamicrosystems AG (1993), VA Technologie AG (1994), Böhler-Uddeholm AG (1995), VA Stahl AG („voestalpine“; 1995), Bank Austria AG (1997/1998) und Austria Tabak AG (1997). Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 wurde der ÖIAG ein Privatisierungsauftrag erteilt, wonach bestimmte Beteiligungen vollprivatisiert werden sollten. Dabei übernahm die ÖIAG auch die Post- und Telekombeteiligungsgesellschaft (PTBG) und damit die Anteile an der Telekom Austria, der Österreichischen Post sowie der Postsparkasse. Die Börsengänge der Telekom Austria und der Post folgten in den Jahren 2000 bzw. 2006. Im Februar 2023 beschlossen die Hauptaktionäre der Telekom Austria (AMX und ÖBAG) die Abspaltung der Funktürme in eine eigene Gesellschaft unter Wahrung der Eigentumsverhältnisse, die an der Wiener Börse gelistet werden soll.
Im Jahr 2001 war der Staat noch an neun der 20 ATX-Unternehmen beteiligt (Austria Tabak, AUA, Böhler-Uddeholm, OMV, Telekom Austria, VA Technologie, Verbund, voestalpine). Diese Unternehmen machten zum Höhepunkt mehr als 57 % der Indexgewichtung aus.
Mit Fortschreiten der Privatisierungen, aber auch durch das zeitweise Herausfallen mancher Unternehmen aus dem Index waren im Jahr 2006 mit OMV, Telekom und Verbund nur noch drei Unternehmen mit Staatsbeteiligung im ATX vertreten, die dennoch über 34 % der Indexgewichtung ausmachten. Mit dem Börsengang der Post Ende 2006 sowie der zeitweisen Berücksichtigung der AUA waren bis Ende 2009 wieder vier bzw. fünf Unternehmen mit Staatsbeteiligung vertreten.
Von der vollständigen Privatisierung der AUA Ende 2009 bis Anfang 2021 blieben mit OMV, Telekom, Verbund und Post vier Unternehmen mit Staatsbeteiligung konstant im ATX vertreten. Der Anteil in diesem Zeitraum variierte stark zwischen 19 % (2014) und 47 % (2009).
Im März 2021 fiel die Telekom aufgrund einer zu niedrigen Streubesitzkapitalisierung vorerst aus dem ATX. Der Anteil der drei verbleibenden Unternehmen mit Staatsbeteiligung stieg im Laufe des Jahres 2022 dennoch auf über 30 % an, was zum größten Teil auf die starke Performance der Verbund-Aktie in den Jahren 2021 und 2022 zurückzuführen ist.
Im Rahmen unserer Aufgabe, ein verantwortungsvolles und wirtschaftlich fundiertes Beteiligungsmanagement sicherzustellen, analysieren wir laufend die Entwicklungen auf den Kapitalmärkten, die Branchen und Peer Groups unserer Portfoliounternehmen sowie makroökonomische Entwicklungen (weitere Analysen und Reports sind hier abrufbar).
Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung von Unternehmen mit Staatsbeteiligungen sind natürlich auch die Dividendenausschüttungen, die dem Staatshaushalt zugeführt werden. Die Betrachtung der Dividendenausschüttungen der ATX-Unternehmen in den letzten 15 Jahren zeigt die Dividendenstärke der Unternehmen mit Staatsbeteiligung. Berücksichtigt wurden hierbei alle Unternehmen, die im jeweiligen Jahr im ATX vertreten waren.
Obwohl in diesem Zeitraum stets nur vier Unternehmen (also 20 %) mit Staatsbeteiligung im ATX vertreten waren, lag der Anteil an den Gesamtdividenden stets über 30 % und im Mittel bei rund 40 %. Nach einem generellen Rückgang im Jahr 2015 konnten die Dividendenausschüttungen der ATX-Unternehmen von 2015 bis 2019 kontinuierlich gesteigert werden. Bei den Unternehmen mit Staatsbeteiligung stiegen sie auch in den Jahren 2020 und 2021 an. Die Dividendenbeschränkung der EZB für europäische Banken für das Jahr 2020 führte zu Verschiebungen der Dividendenzahlungen von Erste Group, RBI und BAWAG ins Jahr 2021. Dadurch stieg der Dividendenanteil von Unternehmen mit Staatsbeteiligung im Jahr 2020 auf rund 54 % an. Natürlich gilt es bei dieser Analyse auch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Unternehmen und Branchenspezifika vor allem in Bezug auf Dividendenausschüttungen zu berücksichtigen. Dies würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Fazit
Verantwortungsvolles Beteiligungsmanagement bedeutet, die Beteiligungsunternehmen, deren Branchen und Peer-Unternehmen sowie die generellen Entwicklungen der Wirtschaft laufend tiefgehend zu analysieren. Dafür erstellen wir in der ÖBAG Dashboards, die ebendiese aktuellen Entwicklungen reflektieren, um im Sinne eines Patient Capital-Zugangs, die langfristige und nachhaltige positive Entwicklung der Portfoliounternehmen zu fördern. Dadurch erhalten wir ein umfassendes Verständnis hinsichtlich der einzelnen Unternehmen und deren Entwicklung in den jeweiligen Branchen. Wenn wir die Performance der am ATX gelisteten Portfoliounternehmen über einen längeren Zeitraum betrachten, erkennt man, dass sich sorgsam geplante Investitionen lohnen. So ist es dem VERBUND gelungen, sich als erfolgreiches, nachhaltiges Energieunternehmen zu positionieren. Gemeinsam mit der OMV zählen die beiden zu den wichtigen Wirtschaftsmotoren in Österreich. Die Bedeutung dieser erkennt man auch an der Tatsache, dass OMV, VERBUND und die Österreichische Post im Laufe des Jahres 2022 rund 30 % am ATX ausmachten. Dies spiegelt damit die große Verantwortung der Portfoliounternehmen für den Wirtschaftsstandort sowie den Kapitalmarkt in Österreich wider.
*Auf Basis eines Management-Vertrags verwaltet die ÖBAG die Beteiligung des Bundes am VERBUND, daher ist für Darstellungszwecke der Verbund in den relevanten Kennzahlen inkludiert.
Weiterführende Informationen zu den Richtlinien für die österreichischen Indizes der Wiener Börse sind hier abrufbar.
Bernhard Gill beschäftigt sich mit der beteiligungsübergreifenden Analyse des ÖBAG Portfolios. Vor seinem Start bei der ÖBAG arbeitete er in der Unternehmensbewertung sowie in der Wirtschaftsprüfung, mit Einblicken in verschiedenste Branchen. Seine Auslandstätigkeit für das Außenwirtschaftscenter auf den Philippinen prägten sein Verständnis für globale Wirtschaftszusammenhänge.