Mit CCS die Industrie dekarbonisieren

Holger Ott, 09.11.2023
Das Erreichen der im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele, die Erderwärmung deutlich unter 2 °C zu halten, gilt als eine der größten weltweiten Herausforderungen in den kommenden Jahrzehnten. In diesem Zusammenhang wird CCS (Carbon Capture and Storage) vom Weltklimarat (IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change) und der Europäischen Union als unverzichtbare Komponente zur Erreichung der Klimaziele angesehen. Insbesondere in den Industriesektoren, die als „hard-to-abate“ (schwer zu reduzieren) gelten, können die Klimaziele nur mit Technologien zur CO2 Speicherung erreicht werden. Darüber hinaus sind sich die IPCC-Klimaszenarien einig, dass die Vermeidung von Emissionen zwar ein notwendiger Schritt in Richtung Klimaneutralität ist, aber nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen. Dazu sind sogenannte „negative Emissionen“ erforderlich, das heißt CO2 muss direkt aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft gespeichert werden, was durch CCS-Derivate erreicht werden kann. Die Botschaft ist also klar! Oder?
CCS und insbesondere die geologische CO2-Speicherung sind Stand Oktober 2023 in Österreich nicht erlaubt, wenngleich durch den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) der Bundesregierung eine Prüfung zur Berücksichtigung von CCS-Technologien vorgeschlagen wird. Die Diskussionen drehen sich um Fragen der Speichersicherheit (Gefährdung durch das gespeicherte CO2) und sogenannte Lock-in Effekte, die unnötige Verlängerung klimaschädlicher Aktivitäten.
Die Vermeidung von Emissionen ist ein notwendiger Schritt in Richtung Klimaneutralität, wird aber nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen.
Was aber ist CCS?
CCS bezeichnet eine Kette von Technologien zur Reduktion von CO2-Emissionen (Carbon) durch Abscheidung (Capture) von Kohlenstoffdioxid (CO2) aus industriellen Prozessen zur anschließend permanenten Speicherung (Storage) des abgeschiedenen CO2 im geologischen Untergrund. CCS wird in der Regel von Carbon Dioxide Removal (CDR) unterschieden. Konkret bezeichnet CDR eine Technologienkette, um CO2-Emissionen direkt aus der Atmosphäre abzuscheiden und permanent zu speichern – dazu aber später mehr.
In CCS geht es also um die geologische Speicherung von CO2: Wie kann man sich das vorstellen?
Um untertägige Speicher wirtschaftlich und technisch bestmöglich zu nutzen, ist CO2 in einer möglichst reinen Form und einer großen Menge erforderlich. Entsprechende Mengen resultieren aus sogenannten Punktquellen oder CO2-intensiven Unternehmen, etwa zur Erzeugung elektrischer Energie aus fossilen Energieträgern sowie für die Zement- oder Stahlproduktion. CO2 Abscheidungstechnologien sind ausgereift und basieren beispielsweise auf chemischer Sorption (z.B. Aminwäsche) oder Filterprozessen (Membrantechnologien) mit welchen das CO2 aus dem Rauchgas gefiltert werden kann. Dabei können bestehende industrielle Anlagen zur CO2 Abscheidung nachgerüstet, oder aber spezielle Verfahren angewandt werden, die auf spezifische industrielle Prozesse zugeschnitten sind. In jedem Fall ist die CO2-Abscheidung energieintensiv und erhöht damit den Energiebedarf bei Produktionsprozessen beziehungsweise mindert den Wirkungsgrad von Kraftwerken nicht unerheblich. Die Abscheidung verursacht auch einen Großteil der Kosten für CCS. Da zur Speicherung hohe Anforderungen an geologische Formationen gestellt werden und diese nicht überall vorhanden sind, muss das abgeschiedene CO2 zumeist über längere Distanzen zu geeigneten Lagerstätten transportiert werden, wozu in der Regel Pipelines oder Schiffe verwendet werden – auch die Distanz und die Transportmittel sind eine Frage der Wirtschaftlichkeit.
Negative Emission (CDR)
Apropos Kosten: Werden „negative Emissionen“ angesprochen, ist zumeist eine spezielle Art von CCS gemeint – BECCS* und DACCS** – was verbirgt sich dahinter? Die für die Menschheit noch günstigsten Klimaszenarien (< 1.5 °C) können nur erreicht werden, wenn der Atmosphäre aktiv CO2 entzogen wird – die negativen Emissionen -, während klassisches CCS „nur“ hilft CO2-Emissionen zu vermeiden. Das führt zu sogenannten „Overshoot Szenarien“, in denen die atmosphärische CO2 Konzentration zunächst durch unsere Emissionen ansteigt, aber das CO2 wieder „eingefangen“ werden kann. Achtung: das gibt uns in keiner Weise die Freiheit CO2 zu emittieren! Aufgrund dessen, dass Biomasse dezentral anfällt und CO2 technisch nur unter sehr hohem Energieaufwand der Atmosphäre entzogen werden kann, können diese Technologien nur für vergangene und nicht zukünftige Emissionen gelten.

Geologische Speicherung
Die permanente Speicherung von CO2 im Untergrund ist der letzte Schritt in der CCS-Kette – und auch der aktuell am kritischsten diskutierte. Dabei ist die geologische Speicherung nicht neu: Seit den 1970er Jahren wird CO2 zur Steigerung der Ölförderung in Ölfelder injiziert und bis heute gespeichert. Seit den 1990er Jahren wird weltweit intensiv an verschiedenen Optionen für die geologische Speicherung geforscht, wobei die Schwerpunkte auf der CO2 Speicherkapazität, der Speichersicherheit und Einflüsse auf die Umwelt liegen. Derzeit gibt es etwa 30 laufende CCS-Projekte, von denen 11 mehr als 1 Mio. t CO2 /Jahr abscheiden und langfristig speichern. Obwohl diese Raten noch weit von dem eigentlichen Problem der anthropogenen CO2-Emissionen entfernt sind, wird die CCS-Technologie sowie die geologische Speicherung erfolgreich angewandt, ist ausgereift und als Schlüsseltechnologie verfügbar.
Ein geeigneter geologischer Speicher muss einige Voraussetzungen erfüllen: zunächst muss die geologische Formation über eine gewisse Speicherkapazität verfügen, die sich aus den CO2 Emissionsraten und der angestrebten Laufzeit (mehreren Jahrzenten) ergibt. Als geologische Formation kommt vor allem der Porenraum sedimentärer Gesteinsformationen in Frage. Ist dieser entsprechend groß (Speicherkapazität) und bildet ein verbundenes Netzwerk (Permeabilität), kann CO2 eingepresst werden. Dabei ist die Speicherkapazität zunächst über eine hohe Porosität definiert, und eine gute Durchlässigkeit der Gesteinsformation ermöglicht eine hohe Injektionsrate – die Strömungskapazität.
Unter den typischen thermodynamischen Bedingungen geeigneter Lagerstätten befindet sich CO2 in einem sehr dichten Zustand, der eine hohe Speicherdichte ermöglicht. Um diese Bedingungen zu erreichen, werden Lagerstätten in Tiefen von über 800 m angestrebt. CO2 hat in diesem Zustand aber noch immer eine kleinere Dichte als das Lagerstättenwasser und erfährt deshalb Auftrieb; um eine Migration des eingepressten CO2 in höhere, trinkwasserführende Schichten, oder gar in die Atmosphäre zu verhindern, ist eine Fallenstruktur in Kombination mit einer impermeablen (undurchlässigen) Deckschicht, z. B. einer Tonsteinschicht, erforderlich. Entsprechende geologische Formationen kennt man von Öl- und Gaslagerstätten, die neben tiefen Aquiferen als geeignete Lagerstätten in Frage kommen. Im Speicher wird CO2 durch physikalische und chemische Prozesse dauerhaft gebunden, wodurch die Speichersicherheit im Laufe der Zeit erhöht wird. Die geologische Speicherung in Formationen wie in tiefen Aquiferen und in Öl- und Gaslagerstätten ist ausgereift. Speicheroptionen in unkonventionellen geologischen Lagerstätten wie z.B. tiefliegenden Kohlevorkommen sind hingegen noch weniger entwickelt.
Haben wir relevante Speicherkapazität in Österreich?
Ja, die Speicherkapazität muss zwar noch evaluiert werden, aber erste Abschätzungen zeigen, dass Speicherkapazität in relevanter Größe vorliegt. Das Hauptpotenzial liegt dabei in ausgeförderten Kohlenwasserstofflagerstätten (schneller zu entwickeln) sowie in tiefen Aquiferen (größere Kapazität) in den Sedimentbecken der Oberösterreichischen Molassezone sowie im Wiener Becken. Allerdings erlaubt die momentan gesetzliche Lage keine geologische Speicherung in Österreich (Stand September 2023). Der Einsatz von CCS zur Reduktion der Österreichischen CO2 Emissionen ist jedoch in der Diskussion und die Gesetzliche Lage wird momentan reevaluiert, wie auch die CO2 Verpressung außerhalb Österreichs, z.B., in Norwegischen Nordseefeldern, diskutiert wird. Das Knowhow dazu haben wir im Land – wir müssen uns nur trauen.
*BECCS kombiniert CCS mit der Verbrennung von Biomasse, die zuvor CO2 der Atmosphäre entzogen hat. Die Biomasse fällt allerdings dezentral an, was ein logistisches Problem darstellt
** DACCS bezieht sich auf „direct air capture“ (DA) eine technische Variante der Atmosphäre CO2 zu entziehen – diese Technologie ist sehr energieintensiv und hat noch keinen ausreichenden technologischen Reifegrad
Holger Ott ist ein Experte für Reservoir Engineering und CCS. Seit 2016 ist er Professor an der Montanuniversität Leoben, wo er den Lehrstuhl für „Reservoir Engineering“ innehat und das Department „Petroleum Engineering“ leitet.