Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen mit Impact
Kerstin Hosa, 12.12.2024
Die Österreichische Beteiligungs AG führte 2022/23 ihre erste Wesentlichkeitsanalyse durch. Entlang von 13 spezifischen ESG-Themenfeldern wurde der Impact der ÖBAG auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft ermittelt. Die Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht im ESG-Management die gezielte Identifikation und Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen sowie die strategische Ausrichtung ESG-spezifischer Unternehmensaktivitäten. Die Analyse entstand im Rahmen eines umfassenden Prozesses und bietet der ÖBAG als öffentliche Investorin eine fundierte Entscheidungsgrundlage.*
ÖBAG-Wesentlichkeitsanalyse: vom Konzept zur Umsetzung
Die Relevanz und der Impact der ESG-Themen wurden in Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern ermittelt. Zunächst fand eine Stakeholder-Befragung statt. Anschließend wurden die Ergebnisse durch Expert:innen aus Wissenschaft, Forschung und Zivilgesellschaft validiert. Dabei stand der Impact der ÖBAG auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft im Fokus. In einem weiteren Schritt klassifizierte die ÖBAG die Themen nach ihrer Business-Relevanz. Die enge Abstimmung mit der strategischen Unternehmensausrichtung und die frühe Einbindung des Managements waren hierbei entscheidende Erfolgsfaktoren.
Die intensive Einbeziehung des ÖBAG-Managements, die Zusammenarbeit mit Stakeholdern und Expert:innen ermöglichte eine umfassende Betrachtung der Themenfelder und praktische Umsetzung der Ergebnisse. Dieser Ansatz sicherte eine fundierte Identifikation der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen und deren enge Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie. Die Ergebnisse definieren klare Handlungsschwerpunkte und stärken die Position der ÖBAG als ESG-orientierte Investorin.
Zentrale Ergebnisse
Die Analyse identifiziert 13 wesentliche Themen, die in folgende vier Aktionsfelder gruppiert sind: Umwelt und Klimaschutz, Diversität und Inklusion, Governance sowie nachhaltige Wertsteigerung. ** Von diesen Themen gelten 10 als besonders relevant und wirkungsvoll für die ÖBAG.
Der Schutz von Ökosystemen – insbesondere der Biodiversität – sowie die Nachvollziehbarkeit und Steuerung wurden als zentrale Grundlagen für ein robustes ÖBAG-Ecosystem definiert. Diese beiden Themen bilden die essenzielle Handlungsbasis für alle Aktivitäten. Biodiversität ist die Grundlage für unser Leben und damit auch für jede wirtschaftliche Tätigkeit. Gleichzeitig ist Nachvollziehbarkeit unverzichtbar, um Vertrauen bei Stakeholdern aufzubauen, Prozesse effizient zu gestalten und rechtliche sowie regulatorische Vorgaben zu erfüllen. Wenn wir diese Prinzipien konsequent verankern, sichern wir eine nachhaltige, werthaltige und lebenswerte Grundlage für kommende Generationen, so das Credo der involvierten Expert:innen.
Themen mit höchster Relevanz und höchstem Impact (ohne Reihung)
- Langfristig orientierte Wertsteigerung
- Fokus auf generationsübergreifende Wertsteigerung der Beteiligungen aus ökonomischer, ökologischer, sozialer und Governance Sicht
- z.B. durch aktives Beteiligungsmanagement, Förderung von Maßnahmen zur nachhaltig, langfristig-orientierten Wertsteigerung
- Investitionen und ökonomischer Beitrag
- Sicherstellung des Beitrags zur lokalen Wertschöpfung durch verantwortungsvolle Unternehmensführung
- z.B. durch Förderung von Investments in Österreich (Growth CAPEX)
- Board-Struktur
- Aufsetzen eines „Idealboards“ (Ausbildung, Alter, Internationalität, Geschlecht, Kompetenz etc.) und Implementierung des Staggered Board Prinzips sowie transparente und professionelle Aufsichtsrats-Besetzungen
- z.B. durch Aufsetzen Talent-Pool für zukünftige Aufsichtsräte; Monitoring Idealboard
- Vergütungspolitik
- Fokussierung auf „Skin in the game“ und Performance-Based Pay
- z.B. Verankerung industriespezifischer ESG KPIs in jeder Vorstandsvergütung; Durchführung von internationalen Peer-Vergleichen und Setzung von Incentivierungsschwerpunkten
- Nachfolgeplanung
- Leading Practice Besetzung von Aufsichtsrat- und Management-Positionen
- z.B. Professioneller Auswahlprozess begleitet durch Personalberater; siehe dazu entsprechende ÖBAG-Richtlinie
- Klimawandel und Dekarbonisierung
- Vorantreiben der Dekarbonisierung im Einklang mit nationalen und internationalen Klimazielen
- z.B. durch portfolioübergreifendes Monitoring entsprechender Umwelt-KPIs und der Förderung von SBTI-Zielen oder einem Carbon-Tracking (Scope 1 bis 3) zur Dekarbonisierung
- Nachhaltige Energienutzung
- Weiterentwicklung von Energieeffizienzmaßnahmen sowie neuen Technologien zur nachhaltigen Energienutzung, wie grünem Wasserstoff
- z.B. Unterstützung der Unternehmen auf ihrem Pfad zum Ausbau erneuerbarer Energien
- Kreislaufwirtschaft
- schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen und Unterstützung der Unternehmen bei Kreislaufwirtschaft und Recycling
- z.B. Entwicklung relevanter Umwelt-KPIs, beispielsweise Wasser- und Bodenverbrauch, Biodiversität
- Diversität und Chancengleichheit
- Aktivitäten für mehr Diversität, Diversität im weiteren Sinne z. B. Internationalität, Alter, Ausbildung etc.
- z.B. Monitoring Gender & Diversity-Performance KPIs, Verankerung von Fair Pay in der Vorstandsvergütung
- Gesundheit und Wohlergehen
- Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeiter:innen im Portfolio als zentrales Gut
- z.B. Monitoring und Kontrolle entsprechender KPIs, Förderung von Gesundheitsvorsorgeprogrammen
Zusammenfassende Erkenntnisse
Aus Unternehmensperspektive ist vor allem die „langfristig orientierte Wertsteigerung“ hervorzuheben. Die ÖBAG konzentriert sich auf die generationenübergreifende Wertsteigerung ihrer Beteiligungen aus ökonomischer, ökologischer, sozialer und Governance-Perspektive. Gleichzeitig fördert sie verantwortungsvolle Unternehmensführung zur Sicherung lokaler Wertschöpfung.
„Klimawandel und Dekarbonisierung“ sowie „Nachhaltige Energienutzung“ weisen in Summe eine sehr hohe Relevanz und den größten Impact auf. Zur Stärkung der Umwelt-Themen setzt die ÖBAG bereits zahlreiche Initiativen um und treibt damit die Dekarbonisierung im Einklang mit den EU-Klimazielen voran. Die Implementierung von Kreislaufwirtschaft (z.B. bei der ESG-Vorstandsvergütung) sowie die Unterstützung der Unternehmen beim Schutz des Ökosystems könnten perspektivisch von der ÖBAG weiterverfolgt und intensiviert werden.
Von zentraler Bedeutung sind alle Themen im Aktionsfeld „Governance“, insbesondere die Leading Practice-Besetzung von Aufsichtsräten durch das Aufsetzen eines „Idealboards“ (Ausbildung, Alter, Internationalität, Geschlecht, Kompetenz etc.) und die Einführung des Staggered Board Prinzips.
Handlungsoptionen für mehr „Diversität und Chancengleichheit“ werden in der Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen identifiziert und von der ÖBAG bereits intensiv genutzt. Der von den Expert:innen eingebrachte „white spot“ zum Thema „Purpose und Selbstwirksamkeit“ wurde aus interner Sicht gemeinsam mit den Beteiligungsunternehmen ausgeleuchtet und im Rahmen eines gemeinsamen Workshops unter Einbindung von Expertinnen der FH Oberösterreich einer näheren Betrachtung unterzogen. Die Einbindung dieser gewährleistete, dass die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur theoretisch fundiert, sondern auch praktisch relevant und implementierbar sind.
Die Wesentlichkeitsanalyse der ÖBAG kann auch als Bestärkung dessen gelesen werden, was vom Team der ÖBAG im ESG-Bereich geleistet wird. Mit dem jährlichen Carbon-Tracking, der Erhöhung des Anteils von Frauen in relevanten Gremien, dem Engagement bei Themen wie „Equal Pay“, dem portfolioübergreifenden ESG-KPI-Monitoring sowie dem Corporate Governance Circle, um nur einige Punkte herauszugreifen, agiert die ÖBAG vorbildlich. Last but not least können die fundierten Ergebnisse aus der Analyse der ÖBAG als Koordinatensystem bei künftigen Überlegungen dienen.
Die ÖBAG-Wesentlichkeitsanalyse wurde im Geschäftsbericht 2023 veröffentlicht.
Anmerkungen:
*Die ÖBAG führte die Wesentlichkeitsanalyse freiwillig durch. Sie dient als Werkzeug, um die Vielfalt der ESG-Themen zu fokussieren und die als wesentlich identifizierten Themen holistisch zu validieren. Wir konzentrierten uns bei der vorliegenden Analyse auf die „Inside-Out“-Perspektive nach üblicher GRI-Praxis. Die CSRD erweitert die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Wesentlichkeitsanalyse wird neben der Inside-Out-Perspektive (impact materiality) künftig auch eine Outside-In-Perspektive (financial materiality) umfassen. Vgl. Europäische Kommission
** Um der spezifischen Ausrichtung der ÖBAG gerecht zu werden, wurden neben den ESG-Themen auch Themen aus dem Aktionsbereich nachhaltige Wertsteigerung inkludiert (siehe dazu ÖIAG-Gesetz ).
*** Dem Aktionsfeld „Nachhaltige Wertsteigerung“ wurden folgende Themen zugeordnet: Langfristig orientierte Wertsteigerung, Investitionen und ökonomischer Beitrag, Innovation und Kompetenzen für die neue Arbeitswelt. Langfristige, also generationenübergreifende Wertsteigerung, der Beteiligungsunternehmen aus ökonomischer, ökologischer, sozialer und Governance-Perspektive sowie die Sicherstellung des Beitrags zur lokalen Wertschöpfung durch verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Förderung von Investitionen in den Standort (Stichwort Growth CAPEX) können als Ziele festgehalten werden.
Kerstin Hosa verantwortet als Sustainability Manager die Nachhaltigkeits-Agenda der ÖBAG und ist für eben diese als Media Manager im digitalen Raum unterwegs. Sie initiierte Initiativen wie die portfolioübergreifende Sustainability Data Science Challenge. Als Media Manager leitete sie zuletzt die Kommunikationsagenden des Thinktanks „Europäisches Forum Alpbach“.